Die Fantastischen Vier :: Viel

Viel Mittdreißiger-Traumata im HipHop-Gewand: humorvoll, manchmal albern

Klar ist das HipHop, halt keine alte Schule – nur weil alle immer sagen, die Fantastischen Vier seien eine Popgruppe. Ich kann die Manifeste alles andere ab auswendig, aber wenn ich mich recht erinnere, geht es bei HipHop um eine grundlegende Strategie und nicht darum, wie das klingt, was dabei herauskommt. Gemessen an den Sachen, die die Vier damals im Jugendhaus Heslach mutmaßlich gemacht haben, ist auch die sechste Studioplatte wieder ein Zeichen dafür, wie weit sie vorangekommen sind, kunsthandwerklich, musikalisch. Pop ist es auch, und zwar – bei allen berechtigten Einwänden – mit der beste Pop, der von deutschen Labels derzeit kommt Das Dilemma mit dem Humor würde man dieses Mal gern aussparen, vor allem, weil auf „Viel“ einige der lustigsten Stücke sind, die der Gruppe je gelungen sind. Natürlich das in allen Interviews zitierte „Bring It Back“, in dem sie einem unwilligen Türsteher vorrappen und dann mitsamt ihrer drei kleinen

Biere von Sabrina Setlur rausgeschmissen werden. „Ewig“, Hausmarkes poppige Fortsetzung zu „Sie ist weg“, handelt vom Fund einer alten Telefonnummer, die selbstgerechte Fantasien auslöst. Überhaupt dokumentiert die Platte ein unerwartetes Talent der Fantastischen Vier, typische Mittdreißiger-Traumata zärtlich und vernichtend zugleich zu beschreiben. „Jede Generation“, Dancehall- und Neptunes-inspiriert, erzählt von Apathie („Das Problem jeder Generation: Kaum können sie was sehen, ja, dann rennen sie schon“), etwas später wird in einem Couch-Potato-Stück mit Fernseh-Samples der Kernsatz sogar buchstabiert: „Es gibt kein Leben zu zweit“.

Die Albernheiten, die Kiffer- und Party-Tracks wie „Pipis und Popos“ (eine Übersetzung von „niggers and bitches“) und „Ruf die Polizei“ (eine Plattwalze über den Schülertoiletten-Spruch „‚Telefon 110 – wir sind für jeden Spaß zu haben.'“) verderben den Spaß dann wieder, aber die Vier müssen an die Konzertbesucher denken. Und Thomas D.s mittlerweile offen selbstparodistische New-Age-Verse rutschen trotz Schwertgeklirr und Geisha-Gesang links rein und rechts raus. Die Fantastischen Vier wären reif, um richtig ernst genommen zu werden. Wollen sie nicht, oder: Geht einfach nicht.

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