Die Jury – von Joel Schumacher
von Joel Schumacher ab 7. November Wenn ein Bestseller-Autor die Verfilmung seines Erstlings-Romans selbst produziert, den Regisseur auswählt und die Rollen-Besetzung überwacht, muß dabei nicht notgedrungen eine besonders gelungene Literaturverfilmung entstehen. Ab John Grisham vor sieben Jahren sein Romandebüt „Die Jury“ vorlegte, hatte er nicht an eine Umsetzung für das Kino gedacht Inzwischen schreibt er seine Bestseller gezielt auf eine cinematographische Vermarktung hin die Erfolge von „Die Firma“, „Die Akte“ und „Der Klient“ in beiden Medien geben ihm dabei recht. Grishams Thema, das er stets nur minimal variiert, ist der Kampf eines underdog gegen die Übermacht des ungerechten Rechtssystems, gegen Mafia sowie korrupte Politiker. „Du hast keine Chance, aber nutze sie“, scheinen seine einsamen Helden als Motto verinnerlicht zu haben. In „Die Jury“ hatte Grisham eigene Erlebnisse als junger Anwalt in Mississippi verarbeitet. Wie in einem Brennglas verdichten sich im Süden die Konflikte im heutigen Amerika: Schwarze gegen Weiße, Reiche gegen Arme, Bürgerrechtler gegen den Ku-Klux-Klan, der von besseren vergangenen Zeiten träumt. Mit schablonenhaften Rollencharakteren hat Grisham die Sympathieträger deutlich vom (weißen) Abschaum unterschieden. Diese archetypische Konstruktion seiner Handlung wirkt wie auf dem Reißbrett entworfen. Und Regisseur Joel Schumacher, der mit „Der Klient“ von Grisham die höheren Weihen erhalten hatte, weiß sich dem unterzuordnen: Der Film ist handwerklich solide aufgebaut, ohne dabei dramaturgisch für Überraschungen zu sorgen. Zwei finster überzeichnete Weiße vergewaltigen die zehnjährige Tochter des ärmlichen schwarzen FabrikLEINWAND neu im Kinoarbekers Carl Lee Hailey (Samuel L. Jackson), der daraufhin in einem spontanen Akt von Selbstjustiz die beiden erschießt. Der junge, unerfahrene und weiße Rechtsanwalt Jack Brigance (Matthew McConaughey) übernimmt dessen Verteidigung, unterstützt von der cleveren Jurastudentin Ellen Roark (Sandra Bullock), die sich aus Boston in eine Südstaaten-Uni verirrt hat. Weil Brigance eine glückliche, wenn auch im Verlauf des Prozesses immer mehr getrübte Ehe mit Carla (Ashley Judd) führt, bleibt der verliebten und stumm leidenden Sandra Bullock diesmal ein Happy-End versagt – denn außerehelicher Geschlechtsverkehr ist in den USA, speziell im sauberen Hollywood, ein schweres moralisches Vergehen. Brigance muß sich im Prozeß gegen den zynischen Staatsanwalt (Kevin Spacey), einen einseitigen Richter (Patrick McGoohan) – mehr ein Schiedsrichter (ohne Pfeife) als Wahrer des Rechts – und gegen die rein weiße Jury behaupten. Wenn Kiefer Sutherland, der den Bruder des einen Vergewaltigers spielt, schließlich den Ku-Klux-Klan mobilisiert, ist die Kolportage nicht mehr fern. Dadurch, daß kein Star den eifrigen Rechtsanwalt verkörpert, sondern das faszinierende Nachwuchstalent Matthew McConaughey (der mit „Dazed and Confused“ von Richard Linklater und „Kaffee, Milch und Zucker“ bekannt wurde) ist immerhin das Finale offen – denn ein Kevin Costner oder Harrison Ford beispielsweise, würden niemals einen Prozeß verlieren. Ob am Schluß der politicalcorrectness wirklich Genüge getan wurde, werden die Zuschauer selbst entscheiden. Schumachers Film und Grishams Roman kranken daran, stets zuviel zu wollen und dann zuwenig zu zeigen. Rassismus, Bürgerrechtsbewegung, Selbstjustiz, Todesstrafe – alle Themen werden nur angekratzt. Und den neuen weiblichen Superstar Sandra Bullock nur in einer Nebenrolle auftreten zu lassen, muß jeden Filmfan von Großproduktionen irritieren. „Die Jury“ ist ehrenwert gescheitert. Jan-Barra Hentschel