Dinosaur Jr. – München, Muffathalle :: Dionysische Entladung
Der Umstieg von den Beatles-Remasters auf die alten Dinosaur Jr.-Platten hat den Ohren nicht gut getan. Zumal sich ihre Wirkung natürlich erst mit zunehmender Lautstärke einstellt, wenn die Gitarren sich durch die Ohren ins Hirn fräsen und der Rhythmus einen in den Grundfesten seiner Post-Pubertät erschüttert. Welchen Song man da hernimmt, ist eigentlich fast egal, solange nur die Originalbesetzung spielt.
Kein Problem also, dass jeglicher Gesang an diesem Abend in München zunächst in Feedbacks und Gitarrengekreische vollkommen untergeht und sich die einzelnen Stücke kaum voneinander unterscheiden lassen. J Mascis steht wie immer schwer verschlafen und gelangweilt zwischen riesigen Verstärkern, vor sich ein elefantöses Effektpedal und eine überdimensionale Setlist. Ganz oben steht „Bulbs Of Passion“, nehme ich an. Zumindest deutet die Laut-leise-Dynamik daraufhin. Und natürlich diese Gitarre am Ende, die klingt, als wären Neil Young und George Harrison übel mit den Köpfen zusammengestoßen und seitdem von Tinnitus geplagt: di-di-di-o-di-di-diddel-diddel-di-düiiiiiiiiiiiii-oi-oi-oi-oioi-cchhhhhhrrrrrrrrrrrrrrrrr. „Bulbs Of Passion“, sag ich ja.
Wir fangen also 1985 an. Am Anfang dieser einen großen dionysischen Entladung, die sich Dinosaur Jr. nennt. Der Mann mit dem von Mal zu Mal dünner werdenden, wehenden, grauen Haar wirft seine Soli wie Zeus Blitz und Donner. Lou Barlow gibt dazu Bass und Rhythmusgitarre zugleich, und Murph erinnert uns bei aller Transzendenz an die unaufhörlich vorantreibende Zeit.
Als das Gewitter das neue Album „Farm“ erreicht, ist – mitten in Barlows „Your Weather* – der Sound plötzlich glasklar. Wie eine Epiphanie erhebt sich anschließend die Stimme von J Mascis, als „Pieces“, „Plans“, „Over It“ und „I Don’t Wanna Go There“ über die Bühne fegen – Stücke, die schon genauso gefeiert werden wie zwischendrin „Feel The Pain“ , das ganz famose „Been There All The Time“ oder „Freak Scene“.
Zur Zugabe fragt Lou Barlow die Fans in den ersten Reihen nach Songwünschen. Doch die Antworten kann er nicht verstehen. Die Band spielt dann eine schnelle, laute, herzallerliebste Version des The Cure-Songs „Just Like Heaven“. Ein besseres Motto hätte man für diesen Abend freilich auch nicht finden können.