Dollv Parton – Dolly
Probleme mit zu viel Alkohol, viel zu vielen Cheeseburgern oder um einiges härteren (chemischen) Substanzen gehören nicht erst seit Leadbelly, Elvis oder George Jones zur peripheren Folklore populärer Musik. Andererseits durfte man schon als ziemlich befremdlich empfinden, wie die Firma RCA das Schaffen der Country-Sängerin Dolly Parton nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen würdigte. Als man dort 1993 ein Set mit dem Titel „The RCA Years 1967 -1986 „zusammenstellte, äußerten sich die Autoren der Liner Notes ausführlicher über die gynäkologischen, auch die Verdauungs- und Gewichtsprobleme des Country-Stars. Im Lauf der Jahre 1983 bis 1987 habe sie durch eiserne Diät erfolgreich gegen das Übergewicht gekämpft. Wer immer ihr zu der Zeit außerdem das Herz gebrochen haben soll, blieb in den Anmerkungen ungenannt. Selten bis nie wurde im Rahmen eines solchen Sets über eine Singer/Songwriter-Ikone wie Dolly Parton auf so vulgärem Niveau gehandelt. Was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass man meinte, so eine etwas „volkstümliche“‚ Persönlichkeit aus dem White-Trash-Milieu angemessen zu porträtieren.
Schließlich hatte sie mit der Single „Dumb Blonde“ im Januar 1967 ihren ersten größeren Erfolg in der Country-Hitparade gehabt. Auch ein Song wie „Just Because I’m A Woman“ hatte wenig mit denen gemeinsam, die damals Laura Nyro, Joni Mitchell oder Carole King schrieben. (Die ihr empfohlenen Goffin/King- oder Tom-Paxton-Vorlagen nahm sie aber ohne Vorbehalte auf.) Das famose „In The Good Old Days (When Times Were Bad)“ stand in der großen Tradition von Evergreens wie Stephen Fosters „Hard Times“, und die Tradition des Torch Song war ihr als Kind aus ärmlichen Verhältnissen im Süden so wenig fremd wie Carter Family- oder Jimmie Rodgers-Klassik. Genau genommen akzeptierte man sie als eine der Großen ihres Fachs aber außerhalb der Country-Zirkel erstmals, als Emmylou Harris Songs wie Xoat Of Many Colors“ und „To Daddy“ aufnahm und Maria Muldaur für ihr Solo-Debüt nicht nur so restlos altmodisches Liedgut wie „Any Old Time“ von Jimmie Rodgers oder Kate McGarrigles „The Work Song“, sondern auch Dolly Partons „My Tennessee Mountain Home“ auswählte.
Beim vorliegenden Box-Set-Projekt votierte Katalog-Manager Steve Berkowitz offenbar dafür, sich auf das Material der RCA-Jahre und der kurzen Columbia-Ära zu beschränken, ergo damit alle teils doch ganz hervorragenden Bluegrass-Aufnahmen seit dem Comeback mit dem „Hungry Again“-Album außen vor zu lassen. Es gibt auch keine Kostproben der „Trio“-Projekte mit Linda Ronstadt und Emmylou Harris, nicht einmal „To Daddy“, nachdem sie das anscheinend zunächst einmal letzterer weitergereicht und erst später selber aufgenommen hatte.
Die Liner Notes schrieb wie beim „UltimateDolly“-Set von 2003 Holly George-Warren, das exzellente Remastering besorgte einmal mehr Vic Anesini. Für den inneren Fan-Zirkel gibt es ein knappes Dutzend früher teils unveröffentlichter, teils bei Mercury, Monument und Decca auf Singles erschienener Aufnahmen. (sony legacy)