Drucksachen :: VON WOLFGANG DOEBELING
Es gibt Bücher, die Pflichtlektüre sind für Musikfans, obwohl Musik nicht oder nur am Rande thematisiert wird. Bücher, die einen Blick hinter die Glitzerkulissen riskieren und die Kulissenschieber selbst beleuchten. Geld regiert die Welt: Binsenweisheiten wie diese sind wohlfeil an jedem Stammtisch zu haben. Fragen nach dem Wie sind da schon schwerer zu beantworten, erst recht in der Welt des Pop, wo der Schein blendet und das Sein Zuflucht sucht in der Anonymität Im Dunkeln ist gut munkeln.
Zuletzt brachte 1990 Fredric Dannen ein wenig Licht in jenes Halbdunkel, wo Hintermänner das Sagen haben und groß absahnen. „Hit Men“ (Times Books) heißt seine Enthüllungsstory. „Power Brokers And Fast Money Inside The Music Business“ der Untertitel. Es sei hier noch einmal genannt, weil es nichts von seiner Brisanz verloren hat und jedem zu empfehlen ist, der einen Einblick haben möchte in die Halbwelt der Label-Mogule und Management-Svengalis, der Haie und Halsabschneidet Dannen ist Wirtschaftsjournalist und porträtiert den Konkurrenzkampf zwischen CBS, MCA und Warner als Krieg der grotesk geblähten Egos ihrer Galionsfiguren und diese als machtbesessene, geldgierige, paranoide Hechte im Karpfenteich. Und weil Dannen von Musik wenig versteht, kommen Musiker bei ihm nur als Objekte vor, als Spielbälle.
Dieses allzu schlichte Täter-Opfer-Gemälde ergänzt nun Fred Good
man in -THE MANSION ON
THE HELL“ (ebenfells Times Books, Random House, ca. 45 Mark) um einige essentielle Pinselstriche. Hatte Dannen seinem Buch noch das anklagende Bob-Dylan-Zitat „Businessmen, they drink my wine“ vorangestellt, so macht der Musikjournalist und ehemalige ROL-LING STONE-Redakteur Goodman bereits in dem Untertitel ganz unmißverständlich deutlich, daß längst zusammengewachsen ist, was doch eigentlich nicht zusammengehört: „Dylan, Young, Geffen, Springsteen, and the Head-on Collision of Rock and Commerce“.
Zuerst hat der Rock’n’Roll die Welt verändert, dann umgekehrt. Diese Dialektik nicht mit naheliegenden Nullen zu belegen, sondern mit vergleichsweise integren Künstlern, ist Goodmans größtes Verdienst. Ein anderes ist die Einbeziehung der eigenen Profession in die gigantische Charade. Die unrühmliche Rolle der Musikkritiker Jon Landau und Dave Marsh, beide ROLLING STONE-Stars, beim Multimillionen-Dollar-Hype von Bruce Springsteen wird nicht ausgespart. Kein Business gebärt mehr Zyniker, nirgendwo herrscht mehr Heuchelei als im Music-Biz, dennoch bleibt Goodmans Ton sachlich, sein Stil fast trocken. Dabei ringen ihm die machiavellischen Machenschaften etwa des Dylan-Managers Albert Grossman oder des pathologisch ehrgeizigen Opportunisten David Geffen durchaus Respekt ab. An Geffen, dem „großen Räuber-Baron der Popkulrur“, schätzt Goodman gerade die Ruchlosigkeit, die Intelligenz ohne Skrupel. „Braucht man einen Blutspender“, hat Geffen einmal gesagt, „und die einzige Person, von der man eine Transfusion bekommen kann, ist Adolf Hitler, dann nimmt man eben dessen Blut“ Pragmatismus pur. Eine runde Milliarde Dollar hat Geffen so in nur zehn Jahren angehäuft.
Ach ja, und die Künstler, unsere Idole. Springsteen in Nöten, der Boss als Knecht. Neil Young erläutert dem verdutzten Jack Nitzsche, wie sein Masterplan zur Eroberung der Charts aussieht: Die Musik der Rolling Stones müsse mit der von Bob Dylan verschmolzen werden, ganz einfach. Hat er ja dann auch gemacht, mit Schmackes.
Dylan selbst? Nein, auch er, der sich nach außen hin so vornehm heraushielt aus den Niederungen des Geldverkehrs, war mittenmang dabei. Dylan pokerte, bluffte, brüskierte, brillierte als Howard Hughes und lachte sich einen Ast auf dem Weg zur Bank. Nicht einmal der angeblich so schwere Motorradunfall damals soll so stattgefunden haben. Man muß die Nebelmaschine bedienen können, will man Mythos werden. Read all about it.