Drucksachen :: von Wolfgang Doebeling

Früher waren die Soundtrack-Liebhaber in der Regel ältlich, verstockt-konservativ und jeder Radikalität abhold. Wohl weil die meisten Filmmusiken seicht vor sich hin plätschern und selbst in melodramatisch-wallenden Passagen noch leicht ins Ohr gehen. Zwischen den Ohren braucht sich gar nichts abzuspielen außer vielleicht wohliger oder wohlig gruselnder Reminiszenen an bestimmte Schlüsselszenen. Kaum Text, viel Tand. Hauptsache, die Musik paßte zur Tapete und störte nicht die leise, gepflegte Konversation.

Heute sind Soundtracks bei jenen jungen Menschen hip, die dem Kult des Leichthörens frönen und das lässige Wippen jeder schweißtreibenden Bewegung vorziehen. Man findet die härtere TrashÄsthetik zu anstrengend und Schlager lustig, je blöder desto besser. Zum plüschigen Pastell-Ambiente hört man gern obskure Gebrauchsmusik, ultra-easy bis cheesy und einst eilig zusammengeschustert für die Woolworth-Krabbelkiste und den Nußbaum-Plattenschrank von Nordmende. Wofür sich Tante Isolde vor 20 Jahren ein bißchen schämte und was sie erst nach Einbruch der Dunkelheit {ausstellte für den Sperrmüll, findet so mancher smarte Twen inzwischen „voll abgefahren“: Horst Jankowski, Paulchen Kuhn, Hazy Osterwald…

Schleppten sich einst nur die schlaffsten Spießer zu James Lasts tumber Tanz-Schaffe übers Parkett, ist man heute beneideter Party-Löwe, wenn man zum Gelingen der Fete Hänschens schneidigen Humba-Sound beisteuern kann. Zum Schwofen zwischendurch schmalzen Tom Jones und Engelbert Humperdinck und zur Entspannung danach liegt auf dem schicken Glastisch THE ALBUM COVER ART OF SOUNDTRACKS (Edition Olms, 49,80 Mark) von Frank Jastfelder und Stefan Kassel.

Ein gruseliges Szenario, gewiß. Und es steht zu befürchten, daß derlei unwillkürliche Assoziationen etliche potentielle Käufer dieses mehr als mittelprächtigen, LP-fbrmatigen Bandes abschrecken wird. Das wäre schade, denn das klug kompilierte Werk liefert jede Menge Futter für Auge und Verstand. In den meisten Fällen entpuppen sich Soundtrack-Covers als neu formatierte Kino-Plakate: knallig, reißerisch, suggestiv. Sex selb andlfeelfine. Jedenfalls, solange sich Carroll Baker als „Baby DolT im Bettchen räkelt oder Ann-Margaret in „Bye Bye Birdie“ ihre Beine gen Himmel reckt.

Die Quadratur der jeweiligen Zelluloid-Ästhetik reproduziert freilich auch allerlei Monstrositäten, von der Hollywood-Heraldik blutiger Kriegs-Schinken wie „The Dirty Dozen“ oder „The Train“ bis hin zu unfreiwillig komischen Häßlichkeiten wie der Illustration zu Timothy Learys „Turn On, Tune In, Drop Out“, die den emsigen Apologeten der Drogenkultur mit drolligem Kopfputz in Form eines überdimensionierten Pilzes zeigt. Wie ungeheuer sinnig. Sehr zu empfehlen ist eine Entdeckungsreise durch das Kleingedruckte. Soundtrack-Credits rufen Vergessenes ins Gedächtnis zurück und fugen Mosaiksteinchen zu stupenden Mustern zusammen. John Leyton (derselbe!) spielte die Hauptrolle in „The Idol“, Tompall & The Glaser Brothers sangen die Theme Songs zu „Tick- Tick™ Tick“, need Igoon?

Wahrlich faszinierend, wenn man ein mehr als oberflächliches Interesse an Pop-Kultur mitbringt. Die Autoren bieten in ihrer kurzen, aber informativen Einleitung einige nützliche Koordinaten fürs Schmökern und Ergötzen. Clever, daß sie diesem groben Überblick ein Zitat von Van Dyke Parks (aus dessen LP mit Brian Wilson, „Orange Crate Art“) vorangestellt haben, das völlig offen ist für Interpretation: „Movies is magic. real life is tragic.“ Darin mag jeder seine eigene tiefere Bedeutung finden. Wie in diesem gedruckten Kaleidoskop.

Signifikante Hörproben übrigens sind unter dem Titel „The Mad, Mad World Of Soundtracks“ (Motor/Polygram) gesondert zu erstehen, auf Vinyl und Compact Disc Das Spektrum reicht dabei von Henry Mancini und Lalo Schifrin über Nancy Sinatra bis hin zu den stets exquisiten Walker Brothers. 3,5

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