Edwyn Collins – Gorgeous George; Paul Quinn – Will I Ever Be Inside Of You

Als das Wünschen noch half, saßen empfindelnde Gymnasiasten mit zittrigen Fingern und flackerndem Blick vor ihren Plattenspielern, wann immer das Label Postcard Liebesgrüße aus Schottland verschickte. Roddy Frames Aztec Camera, Edwyn Collins‘ Orange Juice, Paul Quinns Bourgie Bourgie – es gab damals viele Tröstungen gegen Weltschmerz und Liebeskummer. Melodie und Eleganz, Stil und Soul führten die jungen Romantiker gegen Rockismus ins Feld, und jeder Song war ein Fanal der wahren Empfindung.

Während das spätpubertäre Bürschchen Roddy Frame immer mal wieder süßliche Hymnen singt und mit Ryuichi Sakamoto die Abgründe des ambitionierten Geschmäcklertums erkundet, haben Collins und Quinn keinen Deut nachgegeben. Auf den Alben „Hope & Despair“ und „Hellbent On Compromise“ zelebrierte Edwyn Collins in charmanter Unfertigkeit die Wonnen der Melancholie. Paul Quinn dagegen scheiterte an Plattenfirmen, arbeitete mit dem Kitschier Vince Clarke und assistierte Collins. Sein wunderbares Album „The Phantoms & The Archetypes“

blieb natürlich unbeachtet.

Nun sind beide Weltschmerzvirtuosen zurückgekehrt. Collins verhöhnt in „The Campaign For Real Rock“ die alten und neuen Feinde; in den meisten Songs aber klagt und trauert und bettelt er: „If You Could Love Me“, „Make Me Feel Again“ – Whimp bleibt man ein Leben lang.

„This music won’t take you higher/ Unless you’re a moron“ – das singt der alte Defätist so sanft und verführerisch, als säße die Liebste auf der Bettkante. „Gorgeous George“: ein zynisch-besinnliches Spätwerk vom weisen Kopfhänger.

Paul Quinn, Entrepreneur der großen Gefühle, kultiviert die Sehnsucht zum schönen Schmerz. Für die flehentlichen Minnegesänge würde Bryan Ferry seine Armani-Anzüge hingeben. Die Pet Shop Boys würden auf ihre Hüte verzichten. David Bowie würde dafür sterben. Quinn suhlt sich in schwärzester Romantik, aber der Glamour strahlt, strahlt, strahlt. Sein Bariton, ein Instrument der schönen Schwermut und lockenden Verzagtheit, vibriert majestätisch über symphonischer Herzkammermusik: „This is the saddest thing I have ever heard“. Nur Scott Walker schneidet ähnlich tief in die Seele.

Wer sich verzehrt wie Paul Quinn, der muß erhört werden. „Will I Ever Be lnside Of You“ ist ein Passionsreigen, der Huren in Heilige verwandelt.

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