Edwyn Collins – Home Again :: Zerfranstes neues Werk des großen schottischen Songschreibers

Der Bariton ist intakt. Edwyn Collins hat diese Songs allerdings aufgenommen, bevor ihn die Gehirnblutung niederstreckte, daran muss man sich stets erinnern. Es gibt hier viele Sentenzen, die wie self-fulfilling prophecy klingen, wie düstere Vorahnungen, wie elegische Bilanzen: „I’d ask for new directions/ But my memory, it’s shot and füll of holes.“ Aber schon vor zehn Jahren, auf „I’m Not Following You“, blickte Collins auf eine halb verpfuschte, halb staunenswerte Karriere zurück: „It doesn’t matter if I win or lose/ As long as I am free to choose.“ Diese Möglichkeit freilich wurde nach Fehlschlägen der Größenordnung von „Doctor Syntax“ erheblich eingeschränkt.

Nun gab es auf all seinen Solo-Platten neben Anbetungswürdigem auch halbgare Songs und seltsam ungelenke Instrumentierungen, und „Home Again“ setzt diese Tradition fort. Gespeist von der Liebe zu altem Soul und schwelgerischen Balladen, schwingt sich der Sänger zu typisch jubilierenden Schwärmliedern wie „You’ll Never Know (My Love)“ mit Falsett-Antwort-Gesang und schnalzender Gitarre auf-doch hier wie bei anderen Stücken spielte er alle Instrumente (samt programmiertem Rumpel-Schlagwerk und allerlei Gebimmel) selbst. Ob das Sparsamkeit ist oder kreatives Unvermögen, gleichviel: Der Sound gemahnt an Demos oder mutwillige Heim-Aufnahmen und beschädigt die Lieder. Schlichte akustische Stücke wie „Leviathan“ und „It’s In Your Heart“ werden indes von Collins noch immer strahlendem Gesang getragen. Bei „Superstar Talking Blues“ gibt er sogar den Bottleneck-Dampflokomotiven-Mann. Bitte nicht ausbauen!

In etwas einfältigem Mitleid loben die Rezensenten englischer Blätter „Home Again“ als die beste Platte des Edwyn Collins. Ein später, billiger und ambivalenter Trost für den traurigen Rebellen, denn er hat natürlich viel bessere Alben aufgenommen, unbemerkt von der heimischen Presse. Und – vor und nach „A Girl Like You“ – unbemerkt von der Welt. Collins‘ naturalistische Bleistiftzeichnungen von Springböcken und Fledermäusen im Booklet sind übrigens scheußlich.

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