Edwyn Collins – I’m Not Following You :: Setanta/Sony
Alles Wahnsinn und alles wahnsinnig witzig. Edwyn Collins hat in den fast zwei Dekaden alsMusiker ja schon viel erlebt, aber der Überraschungserfolg von „A Girl Like You“ brachte selbst ihn zum Staunen. In den USA wurde zur Hitsingle extra ein neues Video gedreht, das selbstredend viel schlechter war als das Original, aber gut das Dreißigfache gekostet hat; auf den Philippinen wurde „A Girl Like You“ in Abwesenheit des Künstlers von einer Boygroup promotet; und hierzulande fand sich der Enddreißiger auf einmal als Anheizer der Backstreet Boys auf der Bühne wieder. All das nahm er amüsiert zur Kenntnis, und trotzdem sind bei ihm keine Anzeichen von Zynismus auszumachen: „I’m Not Following You“ heißt das schwierige Album nach dem sensationellen Comeback. Eine Selbstpositionierung.
Historische Verläufe, kommerzielle Abläufe – das sind die unsicheren Koordinaten, in denen sich Edwyn Collins als denkendes und fühlendes Individuum verortet. Du könntest natürlich auch sagen: Hier versucht jemand seine Seele irgendwie über die Runden zu bringen, obwohl die Geschichte und der Markt nichts Gutes verheißen. Was der Meta-Popper denn auch immer einleuchtend und stilvoll besingt. In „Country Rock“ stellt er etwa die Frage, wie es kommen konnte, daß eine Musik, für die am Anfang Persönlichkeiten wie Gram Parsons standen, irgendwann bei den Eagles versandete. Und in „Adidas World“ greift er den Markenmonopolismus an – völlig seriös übrigens und mit Blick auf den eingefahren Musikbetrieb seiner Heimat, wo die Menschen ja auch nur zwischen Oasis und Oasis wählen können (mehr zu diesen Gedanken im nächsten Heft). Allerdings: Der nicht mehr so junge zornige Mann hatte schon auf „Gorgeous George“ in dem furiosen „Summer Festival“, das er als perverses Schlachtfeld geißelte, seine Dissidenz formuliert. Collins, der letztte der alternden Wilden.
Die Analyse und das Melodram gehen dennoch wieder gut zusammen. „Keep On Burning“ fordert Edwyn Collins in einem Song und ist dabei Neil Young ganz nah, der bekanntlich die Ansicht vertritt, es sei besser auszubrennen als einfach zu verschwinden. Schon erstaunlich, wie sich der Schotte dem klassizistischen Rock nähert – und gleichzeitig mit knalligen elektronischen Spielereien arbeitet. Mancher Sound-Modernismus überrascht auf diesem Album – obwohl Collins eine Experimente bereist vor zwei Jahren ankündigte. Für die aktuelle Single „The Magic Piper“ etwa rollt er einen Sack Samples aus wie einst die HipHop-Formation De La Soul auf ihrem ersten Album: Aus einem Überfluß hoppelnder Sounds wird hier eine Melodie zusammengeklaubt.
Eine sichere Bank ist dieser Edwyn Collins, der seinen Glauben nicht aufgibt, nur weil er die Macht des Zufalls anerkennt.