Emirsian :: Accidentally In Between

Orient trifft Okzident – und Volksweise bezwingt Indie-Folk.

Wer sich sattgehört hat am sparsam instrumentierten Indie-Folk, an Songs, die eine auf der Akustikgitarre gezupfte Akkordfolge zur atmosphärischen Endlosschlaufe werden lassen, an Liedern, deren einzige Dramatik darin besteht, sich vier Minuten lang langsam zu steigern, der spart sich die erste Platte von Emirsians Doppelalbum „Accidentally In Between“ besser für später auf.

Zwar verziert Aren Emirze, der Emirsian ist, im hypnotischen „Hit ‚Em“ seine Fingerpickings geschmackvoll mit Obertönen, lässt „Care“ zum zarten Mantra werden und hat mit „Friends“ eine traurig-schöne Ballade im Repertoire. Doch die Ausdrucksmittel des Mannes, der sonst mit Harmful Noiserock macht, erschöpfen sich auf seinem dritten Solowerk zu schnell, wiederholen sich zu oft, und die zur Schau gestellte Empfindsamkeit verliert sich im Dekorativen.

Es war daher einer der besseren Einfälle Emirzes, ein Doppelalbum zu machen und auf die zweite Platte Neuinterpretationen von Volksweisen aus seinem Vaterland Armenien zu packen. Auch wenn man die Texte nicht versteht, ahnt man hinter den arabesk verschnörkelten Gesangsmelodien, den tänzerischen Rhythmen, den fein-pathetischen Arrangements eine lyrische Tiefe, die man auf der ersten Platte vermisst. Etwa wenn der traurige Walzer „Yar Ko Parag Boyin Mernem“ von einer Liebe erzählt, die bereit ist, alles zu opfern, oder sich das Hirtenlied „Hinkalla“ kurz in eine Rocknummer verwandeln darf. (Hayk/Soulfood) Gunther Reinhardt

Beste Songs: „Friends“, „Hinkalla“

Lady Gaga **¿

Born This Way

Eine mittelschwere Schrottplatte der souveränen Künstlerin

Wer diese Platte hören will, hat sie mittlerweile gehört. Und wer etwas gegen sie einwenden wollte, hat längst gesprochen und muss jetzt für immer schweigen. Nur noch das: Ich halte es für unwahrscheinlich, dass irgendeiner der Kritiker, die sich kurz nach Veröffentlichung des neuen Lady-Gaga-Albums so begeistert äußerten (71 von 100 Punkten auf der Website „Metacritic“), die Platte seither noch ein weiteres Mal auf- oder eingelegt hat. Was an sich nicht schlimm wäre. Es gibt ja gute Gründe dafür, Musik zu loben, die man sich zu Hause nie anhören würde. Allzu Anstrengendes zum Beispiel, von dem sich der Hörer dennoch ertappt, verstört und erschüttert fühlt. Oder, als populistischer Ringschluss: Wer ein Popwerk betrachtet, das für eine große, heterogene Masse gedacht ist – der wird sich womöglich anstrengen, es auch mit den Augen dieser Menschen zu sehen. Und das Stupide loben, das er für sich selbst würdelos fände. Ganz schön herablassend.

Dass es trotzdem nicht logisch, sondern erst mal komplett unverständlich ist, wie eine so souveräne Künstlerin wie Lady Gaga ein Album veröffentlichen kann, das derart penetrant an die Vengaboys, DJ Bobo, Samantha Fox und die 4 Non Blondes erinnert – das muss man zugeben, um „Born This Way“ (und seinen Hörern) wirklich näherzukommen. Was bedeutet es denn, dass Amazon in den USA ein neues Album für 99 Cents anbietet, einen Preis, für den man auf Berliner Flohmärkten nicht mal eine alte Bad-Boys-Blue-Maxi kriegt? Dass hier Musik ohne messbaren Tauschwert geschaffen werden soll. Musik, für deren Besitz einen niemand beneiden oder hassen würde.

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