Eric Andersen – Beat Avenue :: Appleseed
Es muss sein vierter Frühling sein, den der auch schon 60jährige Songpoet und ewige Romantiker in vollen Zügen zu genießen scheint, fast 40 Jahre nach seinen Folk-beflissenen ersten Sessions, genau 30 Jahre nach seinem sanften Meisterwerk „Blue River“. Verlernt hat Andersen seither nichts, auch wenn ihm zwischendurch nicht jede Platte gelang, auch wenn seiner Feder manche Formelhaftigkeit entfleuchte.
Das passiert ihm auf „Beat Avenue“ nur ein, zwei MaL Wenn er etwa in „Still Looking For You“ Liebes-Reminiszenzen bemüht wie einst im blauen Fluss. Oder wenn er in „Great Pyramid“ den „Desire“-Dylan mimt, in Wort und Melodie, an seiner Seite Tochter Sari als Emmylou. Andererseits weiß Andersen um diese stilistische und seelische Seilschaft, seine Widmung hier spricht Bände: „Dedicated to Bob Dylan: true poet, hard worker, man of constant wonder, good friend, teacher, the mästet“
Und als ob er dessen „Highlands“ in den Schatten stellen wollte, bläht Andersen den Titelsong auf mehr als 26 Minuten. Die einzige Parallele indes, denn „Beat Avenue“ berichtet über die Geschehnisse an jenem Novembertag des Jahres 1963, an dem JFK erschossen wurde. Aus der Sicht des Jung-Folkies Eric, der sich seinerzeit nach einer Dichterlesung in Gesellschaft namhafter Beat-Literaten wie Allen Ginsberg und Neal Cassady befand. Hier nun durchlebt Andersen diese denkwürdigen 24 Stunden noch mal, reportierend, interpretierend, in sich hineinhorchend. Eine fesselnde Kurzgeschichte, vorgetragen mit tiefer, beinahe entrückter Stimme, zu jazzigem Geplätscher aus Keyboards, Flöte und Bläsern. Das Beste, was sich über diese musikalische Untermalung sagen lässt, ist dass sie nicht von Andersens erzählerischem Raunen ablenkt. Außer, wenn es lautmalerisch wird und die tödlichen Schüsse als peitschende Percussion überdramatisieren. Man hätte es wohl lieber gelesen.
Die anderen elf Cuts lohnen allemal das Wiederhören. Der Songs wegen, aber auch weil die Arrangements zwischen Folk und Rock stimmig sind. Und weil die Musiker und Background-Sänger, darunter Garth Hudson und Phoebe Snow, höchst angenehme Geräusche machen. Das ist ja beileibe nicht wenig.