Everlast

Eat At Whitey’s

Der Neo-Blues-Adept mit Streichern, Sängerinnen und Santana

Aus der Intensivstation in die Charts: Der Ex-House Of Pain-Lautsprecher Everlast belebte die Pop-Saison 1998 nicht nur mit der Hit-Single „What It’s Like“ und einer guten Story um einen Herzmuskelriss am letzten Studiotag. Die Reinkarnation des bierseligen Proll-Rappers als auch cool beobachtender „Neo-Blues“-Songwriter torpedierte die Erwartungen darüber, was ein weißer B-Boy können dürfen soll. Platin und ein Grammy via Santana („Put Your Lights On“) haben die Bahn inzwischen freigeschossen. Fragt sich nur: wofür?

Die Antwort lautet: Expansion und Konzentration. Muss kein Widerspruch sein. (Noch) weniger Rap und HipHop also, doch der kommt auf den Punkt Fast trotzig die rasante Ouvertüre „Whitey“, die selbstbewusst das Spiel mit dem Alter ego weitertreibt „Children’s Story“ schließt ein sattes Texas-Blues-Lick und Gast Rahzel (The Roots) als human beat box kurz, das düstere „Deadly Assassins“, mit B-Real von Cypress Hill, macht dem Titel Ehre.

Die Expansion? Streicher! Soul! Sängerinnen! Merry Clayton, die Stimme von „Gimme Shelter“, versüßt den „Black Coffee“, N’Dea Davenport darf ran, wenn Everlast mit „Love For Real“ auf den Spuren Curtis Mayfields wandelt. David Campbell, Becks Vater, leistet als Arrangeur der Streicher (und auch einiger Bläser) nicht nur hier feinste Arbeit. „I Can’t Move“, sonst ein schon fast unverschämtes „What It’s Like“-Duplikat, rettet er mit auf- und abschwellenden Strings, im abschließenden „Graves To Dig“ sind sie das Tüpfelchen auf dem i eines perlenden Zweiklangs aus Hip-Hop-Ästhetik und Folk-Storytelling.

Der einzige Totalausfall ist ausgerechnet die Santana-Gastnummer „Babylon Feeling“. Vor lauter rhyme fever ist Everlast hier der Blick über die musikalischen Zutaten verloren gegangen: Heavy-Riffs, Carlos-Gegniedel, nervöse Beats aus der Tiefkühltruhe das läuft einfach nicht.

Reflektierte Everlasts Solo-Debüt „Whitey Ford Sings The Blues“ das plötzliche Rendezvous mit dem Tod schon unbewusst, so serviert „Eat At Whitey’s“ den final countdowm ganz unverblümt und fast gelassen, nicht nur als Kindheitserinnerung in „We’re All Gonna Die“. Das Ganze kulminiert hübsch paradox: „I’m not scared“, singt Everlast, “ I can’t move.“ Es ist die spirituelle Variante des beliebten Spiels, wonach verliert, wer sich zuerst bewegt.