Faithless – No Roots
Das Blubbern, Zischen, Wummern, Flubbern und Schaben auf solchen Platten wird oft angeprangert oder ins Lächerliche gezogen, aber nichts gegen ein anständiges Blubbern und ein rechtes Gewummere. Blubbern muss es schon, wenn man dazu tanzen will. Nur: Zur Musik von Faithless kann man gar nicht tanzen. Man könnte nur zu Faithless tanzen, wenn man im Urlaub in die Diskotheken gehen würde, die im Reiseführer empfohlen werden, und das tut kein vernünftiger Mensch.
Nein, dies ist ein Album für den sagenumwobenen Kaffeetisch, den von Ex-Ravern oder Leuten, die nur mutmaßen, früher Raver gewesen zu sein. Wie leicht sich der wahrhaftige elektronische Tanz-Pop von dieser Musik-als-Möbel-Haltung vereinnahmen ließ (siehe auch Massive Attack, Moby), ist im Nachhinein unglaublich, aber Populismus ist halt immer nur so cool wie die Leute, die er gerade bedient Mit ihren „God Is A DJ“-Sachen haben Faithless wenigstens noch das Nachtleben euphorisch gefeiert, als Religion, doch wie lahm, bettlägerig und einfallslos das auf „No Roots“ geworden ist, zeigt schon das zweiteilige, irreführend betitelte Stück „I Want More“: ein „Sei genügsam“-Dub-Lamentato mit dem guten Gastsänger LSK, das allen Regeln für den uninspirierten DJ folgt – es wird langsam lauter, es schminkt sich wichtig, indem einer ein Nina-Simone-Sample einblendet, und dann setzt ein Trance-House-Beat ein, der genau so klingt wie die Disko-Szenen in sieben Jahre alten Fernsehfilmen.
Dido, die Schwester des Faithless-Zirkusdirektors Rollo Armstrong, hat ihren Auftritt ungefähr in der Mitte der CD, in einem weiteren sphärisch zugemüllten Moll-TripHop mit Akustik-Gitarre, in dem sie die typischen Billig-Humanismen singt: „Two ways to see the same thing/ One house, there’s room for all“, dann wird die Musik insgesamt instrumentaler und erinnert an wichtige Dinge wie Polschmelze und Krötenwanderung.
Armstrongs Entscheidung, das ganze Album in der Tonart C-Dur zu programmieren, hat die letztmögliche Spannung wegrasiert: Den Luxus, ihre wohlfeile Weltkrisen-Tristesse auf 54 vor allem langweilige Minuten auszurollern, haben nur Heimstudio-Besitzer.