FSK

Tel Aviv

Die Zukunft war gestern, vor den Punks und „No Future“, das als Aufschrei einer am Rande der Verelendung stehenden Gruppe begann und als müdes Gemurmel der Massen inzwischen längst den Mainstream erreicht hat – auch nach (oder sogar wegen) Gerhard Schröder. Die Zukunft fand davor statt, vor etwa 25 Jahren, als Gregor Gysi noch Willy Brandt hieß, der Eiserne Vorhang vorsichtig gelüftet wurde, alles Schöne rund, bunt und aus Plastik war, die Jugend etwas wollte (nein, nicht Musikvideos), und die Musik aufging wie die Sonne: vollautomatisch, elektrisch, blendend hell und verheißungsvoll. Heute nennt man es Krautrock (schon das Wort klingt nach Verkochtem), doch damals war es der Klang der Utopie: Metallvögel im gleißenden Licht einer reglosen, regenlosen Welt, Flokatis, Raumstationen, fünf (!) Sorten Käpten Nuß, Lebenslust in Hochhäusern über begrünten Betonschneisen.

In diesem Rahmen wundert man sich (nach einem ersten Zucken) wenig über das neue Album von F.S.K. Das Münchner Kollektiv beschäftigt sich immerhin schon länger mit musikalischer Archäologie: Es ließ im schnellen Brüter seiner Alben deutsche und amerikanische Land- (bzw. Country-) Musik mutieren (zeitweise unter Beteiligung von Camper Van Beethovens David Lowery) und fand auf den Abraumhalden der Geschichte echte Wertstoffe (etwa den tollen Nachkriegs-GI-Schlager „I Wish I Could sprechen sie deutsch“).

Und nun also Krautrock. Warum nicht: Die Synthesizer-Wellen erheben sich sanft über Beats, die federleicht (weil aus Polyäthylen) dahinrollen, alles puckert und pluckert, tickert und tuckert, die Melodien schwingen vor und zurück wie die Glocken eines neuen Morgens, und sowieso hat alles Zeit, beziehungsweise: Gibt es Zeit überhaupt? Ganz schön, ganz perfekt, irgendwo zwischen Neu und Harmonia, mit einem Hauch aus Manfred Krugs bester Zeit, ein paar fette Gitarren ä la Armagedon und etwas Discobumms im Munich-Sound (als keiner mehr deutsch sprechen wollte). Die Experimente in Sachen Heimatmusik – einserseits amerikanische Südstaa- ten-Folklore, andererseits deutscher Ländler und Schlager) sind hier nicht mehr zu finden. Thomas Meinecke ist heute mehr an Glam und Euro-Trash, auch an Elektronik interessiert – wie ja die meisten nicht stillstehenden Musiker und Denker unserer Zeit „Tel Aviv“ ist natürlich auch eine Reise im geograpischen Sinne; das Album entstand allerdings in Weilheim.

Und so schlagen F.S.K. wieder staunenswert den Bogen von „Lost In Munich“ zu Jacques Rivette OfParis“: Bildungsbürgertum ohne DünkeL Zwangsläufig erinnert die Musik das an moderne Bands wie Genf, Stereolab oder unzählige Japaner, an Krautrock und Elektro aus anderen Sphären: Sie alle haben sich von dieser Musik beeinllußen lassen, von der letzten Utopie, Vision, Zukunft, die wir hatten. Lange her.