Ghost Rider: Spirit Of Vengeance
Warum es sich lohnt, sich auch den schlechtesten Film anzuschauen, wenn Nicolas Cage dabei ist
Nicolas Cage, Ciarán Hinds
Regie: Mark Neveldine, Brian Taylor
Wie pinkelt ein dem Fegefeuer entkommener Höllenbiker? Die Antwort ist so naheliegend wie grandios beknackt: Er pinkelt wie ein Flammenwerfer. Und ein Nicolas-Cage-Film wäre kein Nicolas-Cage-Film, würden der Regisseur und sein Hauptdarsteller nicht mit größter Hingabe versuchen, diesen Witz standesgemäß in Szene zu setzen. Also sieht man in „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“ einen Motorradrocker mit brennendem Totenschädel, der seinen flammenden Strahl auf seine Widersacher richtet (anstandshalber dem Publikum abgewandt). Und weil es so schön ist, gleich noch ein zweites Mal.
Nicolas Cage brennt. Mal wieder. Hell, yeah! „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“ ist das jüngste in einer Reihe von nach normalmenschlichen Maßstäben karriereschädigenden Machwerken des 48-jährigen Oscar-Preisträgers. Nicht einmal die hartgesottensten Fans des Superhelden aus dem Marvel-Universum dürften darauf gewartet haben, dass Cage noch mal als untoter Stuntfahrer Johnny Blaze alias Ghost Rider auf die Leinwand zurückkehrt. Es scheint, als nehme er inzwischen alles an, was er kriegen kann.
Unter Anhängern gepflegter Schauspielkunst galt der junge Nicolas Cage aus dem mächtigen Coppola-Clan einst als hoffnungsvollstes Talent seiner Generation. Er hat mit seinem Onkel Francis Ford gedreht, den Coen-Brüdern, David Lynch, Brian de Palma, Mike Figgis, Martin Scorsese, Spike Jonze – aber irgendwann hatte er die Lust an der ernsthaften Schauspielerei, dem karthatischen Method Acting eines Robert de Niro und dem distinguierten Spiel des englischen Theaterveteranen Laurence Olivier (beides Vorbilder des jungen Nicolas), verloren. Gut schauspielern ist schließlich keine Herausforderung, wenn man mit dem Talent und den Genen eines Nicolas Cage gesegnet ist. Richtig gut schlecht schauspielern hingegen erfordert wahre Größe. Das ist ein Terrain, auf das sich bislang noch kein Hollywood-Star freiwillig vorgewagt hat. Also erfand Cage seinen eigenen Stil: Nouveau Shamanic.
Cage wächst an der Qualität seines Materials. Je größer der Müll, mit dem er arbeiten muss, desto mehr fühlt er sich angespornt. Auf YouTube kursiert unter dem Titel „Nicolas Cage is losing his Shit“ ein Clip mit einigen unvergesslichen Beispielen des Nouveau Shamanic: touretteartige Wutausbrüche, Heulanfälle, bewusstseinserweiternde Monologe und ein ganzes Repertoire darstellerischer Absonderlichkeiten. Cage ist ein Mann der Extreme. Nicht Rock’n’Roll, sondern Heavy Metal. Darüber kann in „Wild at Heart“ auch seine Elvis-Schlangenlederjacke nicht hinwegtäuschen. Wenn er und Laura Dern zu den Thrash-Metal-Riffs von Powermad headbangen, ist der Schauspieler Cage ganz bei sich. Es gibt nur wenige Darsteller, die selbst dem miesesten Trash noch ihren Stempel aufzudrücken vermögen. Klaus Kinski war so einer, Udo Kier natürlich, vielleicht noch Crispin Glover. Cage gehört ebenfalls in diese Kategorie. Und sage noch einer, der wüsste nicht, was er tut. In „Drive Angry“ liefert sich Cage einen Shoot-Out mit ein paar Satanisten, während er eine vollbrüstige Blondine vögelt. In einem Interview erklärte er dazu, dass er sich für diese Szene vom Kamasutra inspirieren ließ. Und wenn er sich am Ende aus dem Schädel seines Widersachers einen Schluck genehmigt, hatte er eine Zeile Walt Whitmans im Sinn.
Auch „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“ hat in all seiner Schlampigkeit durchaus Methode, die Cage-Methode. Ein Kritiker beschrieb sie einmal als „Mega-Acting“. Cage spielt seine Figuren todernst, so wie die Recken des amerikanischen Exploitationkinos der 70er-Jahre. Nur agiert er am Rande zur Selbstentgrenzung. Vor allem in fantastischen Filmen, so Cage, könne er mit der Interpretation seiner Rollen richtig „avantgarde“ gehen. Er spricht dann wie ein Maler von abstrakten Performances, die er sich erst experimentiell aneigne. Mittlerweile nennt er Vincent Price sein großes Vorbild. Der große alte Mann des B-Horrorfilms hat es zu Lebzeiten sogar in die Muppets-Show geschafft. Nicolas Cage lässt heute auf seine Weise die Puppen tanzen. (Universum)