Graham Coxon – Happiness In Maqazines

Das schmerzte schon sehr im letzten Jahr, als alle schrieben, Graham Coxon werde nicht groß vermisst auf Blurs „Think Tank“. In den nächsten Jahren wird in medizinischen Fachzeitschriften sicherlich zu lesen sein, ob man mit einem Schweineherz oder einem batteriebetriebenen Lebensspender tatsächlich genauso gut leben kann wie mit dem eigenen. Was das für den Liebesdiskurs bedeuten wird, wenn man seine Liebste dann „mein Herz“ nennt, ist allerdings eine andere Frage. Und war nicht in der Rückschau betrachtet „You’re So Great“ alles in allem doch der berührendste Blur-Song?

Sein Schöpfer Graham Coxon scheint sich mittlerweile mit seiner Existenz als Solokünstler arrangiert zu haben. Hat dieses Mal auch nicht in der Garage aufgenommen, sondern in einem richtigen Studio, mit einem richtigen Produzenten, mit Stephen Street (der ja auch die ersten fünf Blur-Alben produzierte). „No More Mr. Lo-Fi“ sollte das Album daher auch zunächst heißen.

Trotz allem versprüht „Happiness In Magazines“ den gleichen Charme wie die ersten vier Coxon-Alben. Die großen Helden Syd Barrett und Billy Childish hört man immer noch in (fast) jeder Note. Doch alles scheint konzentrierter, fokussierter. Selten war der Gitarrist Coxon inspirierter, niemals zuvor sang er so grandios. „Saw you on my compu-a/ Never seen no one cu-a.“

Diese Texte gehen ans Herz wie noch bei keiner aus dem so genannten Britpop entsprungenen Platte. Wie er seine geliebte Heimat Camden und all die Pubs und Clubs meidet, ins Exil geht und allein im Haus auf dem Land rumhängt, um nicht wieder dem demon alcohol zu verfallen. Wie er fassungslos und mit Abscheu all die Partygirls und Szenetypen beobachtet, mit denen er früher abhing: „Cos everybody’s flying slipping and sliding/ Slowly suiciding in a tiled cell.“ Immer wieder fragt man sich: Ist es eine Komödie oder ist es eine Tragödie? Es ist eine Menschwerdung. Hier spricht ein Geläuterter mit einer erzählenswerten Geschichte, kein Epigone, keine trügerische Innovationsmaschine und kein politisches Manifest „You used to think about magic/ And how to fit in/ Now you think about madness/ And how to stay thin.“

Doch „Happiness In Magazines“ geht nicht unter bei all dem Gewicht, hat süchtig machende Riffs und Gitarrenpopsongs wie einst auf „Blur“: „Freakin‘ Out“ etwa, die in Großbritannien gefeierte erste Single, oder das wundervolle Liebeslied an die Verflossene, „Bittersweet Bundle Of Misery“. Verblüffend sind allerdings die Momente, in denen das Album fast zum Stehen kommt: das in Streichern schwelgende „All Over Me“ und die Morricone-Nummer „All Over Me“. „Happiness is only fleeting/ Love is no more than a lie/ If hearts are only good for cheating/ Life is nothing.“

Am Ende steht die große, versöhnliche Pianoballade: „In an old house, in an old street/ You found me and a TV/ There was no bed, there were no chairs/ There was no roof, there were no stairs/ Ribbons and leaves and time in a tin/ Behind the wall in the kitchen/ Life I love you.“

Den Dämons und demons fürs Erste entkommen, hat Graham Coxon sich zwischen Glück und Verzweiflung, Liebe und Einsamkeit, Schnoddrigkeit und Sentiment eingerichtet. Die Katharsis „Happiness In Magazines“ zeigt einen der großen britischen Saiten- und Liedkünstler auf der Höhe seiner Kunst You ‚re so great, Graham!

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