Graham Coxon – The Spinning Top
Zur Veröffentlichung seines letzten Albums „Love Travels At Illegal Speeds“ erklärte Graham Coxon vor drei Jahren, nun sei es fürs Erste genug mit den Billy-Childish- und The Fall-Reminiszenzen. Er habe die E-Gitarre an die Seite gestellt und versuche – zurückgezogen auf dem Land -, seine Fähigkeiten an der Akustischen weiterzuentwickeln. Nun ist Coxon zwar ein begnadeter E-Gitarrist, aber die Wehmut hielt sich in Grenzen, denn mit seinem von Stephen Street arg polierten Punk-Pop schien er zuletzt doch auf der Stelle zu treten. Und so zeigt „The Spinning Top“, ein Konzeptalbum, das das Leben eines Mannes von der Geburt bis zum Tod beschreibt, tatsächlich einen ganz neuen Coxon. Zwar hatte er schon auf „Crow Sit On Blood Tree“ und „The Kiss Of Morning“ mit der Folkform gespielt, doch dieses Mal gelingt ihm – wieder gemeinsam mit Stephen Street, sowie den Gästen Robyn Hitchcock und Pentangle-Bassist Danny Thompson- eine Mischung aus klanglichem Experiment und britischer Tradition.
Die Eröffnung „Look Into The Light“ klingt wie ein Song, den Nick Drake bei der Zusammenstellung von „Pink Moon“ vergaß. Und als wollte Coxon das Stück als Zitat kennzeichnen, lässt er die metallischen Saiten seiner Gitarre Drone-artig, wie ein Echo aus der Vergangenheit, nachklingen. Das anschließende „This House“ hat die ätherische Eleganz eines John-Martyn-Stücks, „In The Morning“ schraubt sich von einem kleinen kindlichen Folksong über mehr als acht Minuten in psychedelische Höhen und erinnert an die besten Momente der Incredible String Band. „Brave The Storm“ hätte sich in seiner Hippieseligkeit (Traffic?) gut auf Paul Wellers „22 Dreams“ eingefügt, ja, wäre dort sogar ein absoluter Höhepunkt gewesen, hier allerdings wird es direkt vom nächsten Stück, „Dead Bees“, übertrumpft. Einem stampfenden Ungeheuer aus Loops, fräsenden E-Gitarren und Blur-Blasiertheit.
Immer wieder scheint Coxon die Folkform als eine Art Sprungbrett in andere klangliche Dimensionen zu nutzen, „Caspian Sea“ etwa steigert sich über Wah-Wah-Gitarren zu einem imaginären Peter-Greenaway-Soundtrack mit schnarrendem Akkordeon und weiblichem Obertongesang (na ja, fast). Doch auch der Pop kommt auf „The Spinning Top“ nicht zu kurz, „Humble Man“ etwa klingt wie die perfekte nächste Single der wiedervereinigten Blur: „Heaven help help me/ Help me to be a humble man.“
In den letzten drei Stücken führt Coxon das Album und das Leben seines Protagonisten in die Transzendenz. Die letzten Atemzüge begleitet er mit dem zarten „Far From Evervthing“, die Fahrt über den Styx führt durch die Pink Floydschen Nebelschwaden von „Tripping Over“, „November“ leuchtet schließlich in einer Jenseitigkeit, wie sie im Diesseits sonst nur Robert Wyatt erreicht. Ein versöhnliches Ende mithin, denn wer „The Spinning Top“ gehört hat, muss zwangsläufig an eine Wiedergeburt glauben.