Hai Hartley-Amateur

Ab 10. November.

Mit seinen Filmen „Verdacht auf Liebe“ und „Trust“ avancierte Hai Hartley zum neuen Hoffnungsträger des amerikanischen Independent-Kinos. „Simple Men“ festigte dann seinen Ruf als Kultregisseur. Der 35jährige Filmemacher ist also alles andere als ein Amateur, auch wenn er meint: „Der Titel meines neuen Films hat mit jenem Gefühl zu tun, das ich oft habe: unprofessionell und ein bißchen verwirrt zu sein, was Standard wie Qualität und Kompetenz angeht Ich hoffe, auch Amateur‘ hat etwas Neues, Frisches, Unprofessionelles.“

Doch offensichtlich fällt es Hartley nach drei Filmen schwer, etwas wirklich Neues zu kreieren oder sich zumindest in alter Frische zu präsentieren. Und aus dem Unprofessionellen resultiert diesmal keineswegs jener gewisse Charme, der die Vorgänger auszeichnete. Der Amerikaner ist inzwischen zu sehr Profi, um in „Amateur“ diesen Effekt noch einmal wiederholen zu können.

Was Stil und Optik betrifft, erfüllt der Film am ehesten die hohen Erwartungen. Außerordentlich ästhetisch wirken erneut die stilisierten Bilder des Kameramannes Michael Spiller. Hai Hartleys Humor ist wie gewohnt kraß, lakonisch und grenzt bisweilen ans Surreale. Allerdings erscheint er diesmal in erster Linie auf den Nebenschauplätzen der Handlung. Nach wie vor groß ist seine Faszination für all die Seltsamkeiten, die sich bei genauerem Hinsehen im Alltäglichen offenbaren. Wie absurd das Leben sein kann, zeigt zum Beispiel das Schicksal einer allzu menschlich agierenden Polizistin: Als die Beamtin einen Festgenommenen aus Mitleid von seinen Handschellen befreit, zieht der ihre Waffe und erschießt sie. Life is a mess.

„Religion, Sex und Geld sind Thema aller meiner Filme“, so der Regisseur, und deshalb auch das von Amateur“. Ausschlaggebend für die Realisation des Filmes war Isabelle Huppert, die in einem Brief an den Regisseur den Wunsch äußerte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Der nahm das Angebot der Französin hocherfreut an und lieferte das erforderliche Skript in Rekordzeit nach – was den Mangel an Sorgfalt bei der Entwicklung der Geschichte und Charaktere erklären mag.

Die Huppert spielt eine ehemalige Nonne, die zwischen Poesie und Pornographie angesiedelte Kurzgeschichten schreibt In einem New Yorker Cafe lernt sie einen Mann (Martin Donovan) kennen, der sich nicht an seine dunkle Vergangenheit erinnern kann: Ein Sturz aus dem Fenster hat sein Gedächtnis gelöscht. Die in kriminelle Geschäfte verwickelte und deshalb von Killern verfolgte Porno-Actrice Sofia (Elina Lowensohn) bringt die beiden in eine lebensgefährliche Situation.

Nicht Isabelle Huppert, sondern die kühle Erotik ausstrahlende Elina Lowensohn hinterläßt in diesem unbefriedigenden Genre-Mix aus Thriller, Komödie und Tragödie den stärksten Eindruck, Hai Hartleys unter einer eklatanten Ideenarmut leidenden Dialoge den schwächsten. Den nächsten Brief aus Frankreich sollte er ungeöffnet in den Papierkorb werfen.

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