Hauschka Abandoned City
Dieses Mal schlägt’s zur Geisterstunde in dieser Rubrik. Es geht um Verlassenes und Zurückgelassenes, um Untotes und Wiederauferstandenes, um Einsamkeit und um Richard Wagner. Und mit Letztgenanntem fangen wir an, dann haben wir es hinter uns. Der Düsseldorfer Klavierpräparator Volker Bertelmann alias Hauschka hat „Elizabeth Bay“, das erste Stück seines neuen Albums „Abandoned City“, nämlich für eine Neuerfindung von „Der Fliegende Holländer“ geschrieben – da geht es bekanntermaßen um ein Geisterschiff, das ewiglich über die Weltmeere kreuzen muss, und es ist diese Von-allen-guten-Geistern-Verlassenheit, die Hauschka auch auf den anderen Stücken des Albums umtreibt. Die Geisterstadt, die das Werk im Titel trägt, dient ihm als Metapher für die Spannung zwischen Hoffnung und Traurigkeit, die er beim Komponieren neuer Musik fühlt. Tatsächlich klingen die perkussiven, auf Klaviergehäuse, Sub-Bass und Drum-Computer erzeugten Sounds wie ein romantischer, unheimlicher Spaziergang durch, manchmal auch Tanz auf Ruinen einer Zivilisation – es quietscht und pocht und knirscht und rappelt. Doch darüber legt Hauschka auf der Tastatur gespielte und den Klaviersaiten gezupfte Melodien und Riffs, die die Szenerie aufhellen wie langsam durch die Wolken stechende Sonnenstrahlen. Klingt natürlich, wenn man es hört, weit lyrischer, als wenn man es so semi-poetisch aufs Papier saut. Stellen Sie sich vor, Radiohead hätten den Soundtrack zu einer Dokumentation über Detroit gemacht. (City Slang)
Um Überreste, keinesfalls aber Ruinen, geht es auch auf „Little Things Left Behind“, einer Sammlung mit Kompositionen von Roger Eno aus den Jahren 1988 bis 1998. Zwar handelt es sich hier um eine Compilation älterer Aufnahmen, aber für die meisten Leser dürfte das Neuland sein, kennt man doch höchstens die Kooperationen des Briten mit seinem älteren Bruder Brian wie etwa „Music For Films III“,“Apollo: Atmospheres and Soundtracks“ oder den „Dune“-Soundtrack. Auf seinen Solowerken ist Eno öfter im Ambient zu Hause, klingt bei kammermusikalisch begleiteten Piano-Miniaturen, die dieses Album eröffnen, aber auch mal wie der sprödere, weniger putzige Bruder von Yann Tiersen. Am schönsten sind hier jedoch die von Kate St. John an Oboe und Englischhorn begleiteten Stücke von „The Familiar“(1992) und die elegische, mild avantgardistische Kammermusik von „The Flatlands“(1998), das hier mit gleich zehn Stücken vertreten ist. Roger Eno ist ein versierter, kenntnisreicher und origineller Komponist, der die britische Tradition immer im Ohr zu haben scheint, nur singen – wie auf einigen Songs von „Swimming“(1996) – sollte er besser nicht. (All Saints/Rough Trade)
Mitsingen zu Eno, dem Älteren, war eine der Inspirationen für „The Highs And Lows Of …“ der franko-schottisch-bolivianischen Band Jacques Caramac & The Sweet Generation. Außerdem sollen Can, Cluster, KLF, Bobby Conn, MGMT und die Britpop-Flitzpiepen Mansun durch die Songs des Quartetts spuken (sagen sie jedenfalls). Erstaunlich, dass das Ergebnis dieser eklektischen Mischung so aus einem Guss klingt. Könnte auch von 1979 sein, diese Verbeugung vor New Wave und Power-Pop. Höhepunkte: „It Takes All Sorts“ mit wie von Mark E. Smith gespucktem Refrain („Reptiles, Reptiles, Reptiles …“), „Snowballs“ mit Go-Betweens-Gitarren und Teenage-Fanclub-Harmonien und der stupende neunminütige Neu-Minimalismus von „Kream Puff“.(Everyday Life/Rough Trade)