Heinz Rudolf Kunze & Verstärkung :: In alter Frische
Glaubt keinem Sänger
Im Vorspann grüßt Heinz und sagt die Konzerte an: mit Sonnenbrille, Zigarillo mit kalter Asche und einem Quantum von Selbstgerechtigkeit, die man als wohlig bezeichnen kann. Geschmeidig gehen ihm Phrasen wie „nicht zielführend“, „da ging noch mehr“, „hat die Platte eingetrommelt“ von den Lippen. So ist er. Erstaunlich, wie ausführlich die Musiker der Verstärkung hier zu Wort kommen: vom Anfang 1981 bis zu den bitteren Abschieden erinnern sich Joschi Kappl, Peter Miklis, Thomas Bauer und Martin Huch – und Heiner Lürig, der 1985 Mick Franke ersetzte; ein brutaler Akt, der aber zu „Dein ist mein ganzes Herz“ und also zum Massenerfolg führte.
Das vorletzte Konzert mit Franke, im März 1985 in der Hamburger Markthalle, zeigt allerdings, wie gut die erste Verstärkung war. Die Unterschiede zu dem Auftritt in der Fabrik, im Herbst 1985 nach „Dein ist mein ganzes Herz“, sind frappierend: Nun eröffnet „Ich glaub es geht los“ den Reigen – und obwohl den alten Stücken noch Platz eingeräumt wird, spürt man den Schlager-Druck von Lürigs Dudelgitarre. Das „Brille“-Konzert, 1991 im Kölner E-Werk, hält mancher aus Kunzes Umfeld für den Höhepunkt im Konzertschaffen des Dichters – doch der sagt zu Recht an anderer Stelle, dass ja mancher auch sein Debüt-Album „Reine Nervensache“ für sein bestes hält.
Mit der Videokamera hat die Band die „Brille“-Tournee 1991 begleitet – der Keyboarder Thomas Bauer gab dabei eine Mischung aus Klassenclown, Hampelmann und Hape Kerkeling mit enervierenden Dialekt-Imitationen und parodistischem Blödsinn. Doch nicht deshalb trennte sich Heinz Rudolf Kunze bald von ihm wie von Joschi Kappl und Martin Huch; Schlagzeuger Peter Miklis ging aus Solidarität. „Scheiße gelaufen“ sei das, sagt Heiner Lürig, der seinen Anteil daran hatte und der später selbst ging (und wiederkam).
Diese Beichten sind von psychologischer Relevanz – aber die vier Konzerte (und ein Auftritt, 1989 in Ost-Berlin, auf der CD) repräsentieren die besten Jahre des Heinz Rudolf Kunze. Versöhnt hat er sich mit allen Musikern. Ach, gelänge es ihm bloß auch mit den flüchtigen Teilen seines Publikums! (Turbine) arne willander
Was Achim Reichel etwas paradox „Solo mit euch“ nennt, ist ein „Storyteller“-Programm, bei dem er schlaglichtartig seine gesamte Karriere bilanziert: St. Pauli, die erste Gitarre, „Mary Ann“, „Star Club“, die Beatles, die Rattles, die England-Tournee, die Bundeswehr, die Shanties, die Volkslieder, Jörg Fauser und Kiev Stingl, „Kuddel Daddel Du“ und „Aloha Heja He“. Berry Sarluis am Akkordeon und Pete Sage an der Geige unterstützen die ohne viel Aufhebens erzählten Döntjes. Ein Wiedersehen mit McCartney wird so lakonisch abgehandelt wie der Tod des Autors Fauser, der an Reichels schönsten Platten mitwirkte – andernfalls wäre es der sentimentale Abend eines Überlebenden geworden. So aber ist der Musiker von volkstümlicher Bonhomie bei seinem Hamburger Heimspiel auf Kampnagel – und mit „Tut so gut“ hat er sogar ein neues Stück aufzuführen. (Tangram) Arne Willander
Am 22. Juni fand in Sofia das Gipfeltreffen des Thrash-Metal statt: „The Big Four“ beim Sonic Festival, weltweit in 550 Kinos übertragen. Slayer, Megadeth und Anthrax lieferten solide Shows ab, aber natürlich waren Metallica wieder der Höhepunkt. Sie wollten spielen „like it’s our last fucking bash shit of heavy metal ever“, so Kirk Hammett vor der Show, und das taten sie dann auch. Natürlich kamen noch alle anderen auf die Bühne, zum jetzt schon legendären Jam bei „Am I Evil?“: Trommelwirbel, Gitarren-Overkill, Haareschütteln ohne Ende. Ein großer Spaß. Ein bisschen schade nur, dass bei der Backstage-Dokumentation bloß die üblichen Klischees aufgetischt werden: Beschwerden über die Toiletten, Beurteilungen der weiblichen Bevölkerung und des Wetters, belangloses Geplänkel. So stumpf sind Metaller doch gar nicht. Bis auf Slayer. (Universal) BIRGIT FUSS
Die Stones hatten gerade „Exile“ aufgenommen, vier Songs davon spielten sie bei den vier Konzerten in Texas 1972 live. Der dort mitgeschnittene Film erschien kurz im Kino und verschwand dann in der Versenkung – bis er nun anlässlich der „Exile“-Jubiläumsfeierlichkeiten restauriert wurde. Viel Geld habe das gekostet, jammert Mick Jagger. Auch er kommt beim aktuellen Bonus-Interview nicht umhin, die altmodische Kameraführung und das miese Licht zu kritisieren, aber das seien eben „die Mühen der 70er-Jahre“, verrät er und gesteht einige falsche Töne. Und doch gibt es – von Jaggers Gegockel und Mick Taylors Künsten abgesehen – noch ein paar Köstlichkeiten zu sehen und hören, unter anderen eine wunderbare Version von „Dead Flowers“ und eine irre von „Rip This Joint“. (eagle) BIRGIT FUSS