Helene Hegemann :: Jage zwei Tiger
Man kann natürlich die Stellen suchen und wird sie finden: „Er fickt genauso, wie man sich das vorstellte, es war irgendwie reibungslos, und wenn währenddessen der Lattenrost durchbrach, fing er an zu lachen, ging in den Keller, um eine Bohrmaschine zu holen, und stabilisierte es in Windeseile so fachmännisch, dass man ein Auto darauf hätte abstellen können.“ Helene Hegemann formuliert auch in dem Roman nach „Axolotl Roadkill“ nicht wie Botho Strauß, und wenn man es böse meint, dann kann man ausführen, dass „Jage zwei Tiger“ ein schnodderiger, nihilistischer Jugend-auf-der-Flucht-Roman ist, Unter-Null-Faserland-About-A-Boy-Soloalbum-mäßig, mit aktuellen Jargons und Floskeln aufgeladen. Selbstverstümmelung, Posen, Moden, Bulimie, beiläufiger Sex, McDonald’s, Partygeschwätz, Suizid- und Mordfantasien, Drogen, Verwahrlosung und Levitation.
Man kann aber auch behaupten, dass „Jage zwei Tiger“ ein zutiefst trauriger Roman ist, in dem als analoge Relikte ein Zirkus, ein Randy-Newman-Zitat und Schopenhauer vorkommen. Kai und Julia und Cecile sind Angehörige einer kaputten Generation, von den Patchwork-Eltern verlassen, in Internate abgeschoben, in Wohngemeinschaften gestrandet, schon mit 17 von Müdigkeit und Überdruss ausgelaugt: Hanni und Nanni in einer Welt von Zombies, Soziopathen und Egoisten. Es gibt keine Erwachsenen mehr – bloß noch Narzissten, die darum ringen, für immer jung zu bleiben, während die Jungen vor der Zeit vergreisen und sich mit Internet, Süchten, obskuren Bands, Tätowierungen und sozialen Auffälligkeiten langweilen. Sie rebellieren, wie jede Jugend vor ihnen, gegen das Bestehende. Aber, und das ist das Bestürzende an Helene Hegemanns Roman: Es ist keine Autorität mehr da, die das Bestehende verteidigt.