Iggy Pop :: Avenue B

Avenue B VIRGIN Es ist einigermaßen langweilig geworden, Herrn Osterberg – inzwischen 52 – immer wieder als Kronzeugen fiir die These in Stellung zu bringen, wonach Jugend doch ewig währen könne. Aber natürlich trägt der Mann, der sich Iggy Pop nannte, aller selbstironischen Distanzierungsvetsuche als JNaughtyLittk Dogge“ (so der Albumtitel von 1996) zum Trotz, auch selbst zu dieser bequemen öffentlichen Reduzierung auf die Rolle des ewigen Berserkers bei. Solange er das Bühnen-Purgatorium braucht, als „Best Of Iggy“-Perfbrmer immer wieder den Maniac am Mikro zwischen „Louie Louie“ und „Lust For Life“ gibt, wird der Songwriter Pop immer einen schweren Stand haben. Auch wenn der gerade in den 90er Jahren besonders gute Trümpfe auf der Hand hatte. Sie hatte ja schon gut angefangen für ihn, die jetzt zu Ende gehende Dekade, Jirick By Brick“ positionierte Pop ohne Zugeständnisse zwischen Kracher („Butt Town“) und Crooner („Moonlight Lady“) und bescherte ihm obendrein seinen ersten eigenen Top 40-Hit, „Candy“, im Duett mit Kate Pierson von den B-52’s. Für ^4venue B „begab sich Iggy erneut unter die Fittiche des Produzenten, der schon damals verantwortlich zeichnete. Und wer Don Was immer noch als Schaumschläger und großen Homogenisierer denunziert, muß spätestens jetzt Abbitte leisten. In einem alten Übungsloft im East Village, wo früher Fleisch verpackt wurde, hielt Was fiir Avenue B“ einfach drauf, vereinte Präsenz und Tiefe in einem direkten, aber nicht eindimensionalen Sound. Was aber leistete TonträgerAnders, als der Titel vermuten lassen könnte, ist dies keine Street Corner Serenade geworden, keine Hommage an jene New Yorker Straße, in der Pop einst lebte. Vielmehr entbehrt es nicht einer gehörigen, auch bitteren Ironie, dass ausgerechnet der Mann, der auf den Popanz Jugend festgenagelt scheint, ohne Umschweife und in der ihm eigenen Offenheit das Thema Vergänglichkeit anpackt: „No Shit“! Tja, der Tod. Und die Frauen: Warum Mann sie immer wieder braucht, begehrt, besteigt – und ihrer doch immer wieder überdrüssig wird. Weil ihre Talk-Shows nerven. Oder ein Lachen. Oder sonst irgendwas. Was? Darum ging’s immer bei Iggy? Klingt nicht komisch? Ist es hier aber durchaus. Die Ahnung der eigenen Mortalität lässt plötzlich jede Berührung, jedes Lachen kostbar werden. Pop, den großen Abgang zwischen „Freude“ und „Würde“ anvisierend, mutiert zu seinem eigenen Erstaunen um die 50 zum späten Bücherwurm. Was liegt da näher ab eine schöne Nummer auf dem Boden, zwischen all den alten Schmökern? Heidegger? Freud? Oder doch Capote? Mit einem nicht mehr jugendlichen (ha!), aber eleganten „Nazi Girlfriend“ treibt es Iggy gleich zu Anfang. Gut, ihre High Heels sind schon einsame Spitze, und „her french is perfect, so’s her butt“. Aber was ihn wirklich umtreibt, das ist., diese Wüste in ihrem Blick! Ach, Iggy! Zu sanftem Akustik-Podien huldigt er etwas später „Miss Argentina“. Die – „a masterpiece without a frame“ bringt gern Fantasien zu Papier, die sie noch nicht getestet hat, denn: „love is her game“. Auch mag sie das Militär und dazu die Rolling Stones – und ihr kleiner Bruder trägt ein T-Shirt von den Ramones. Das reimt sich dann sogar. Zum Schießen! In „She Called Me Daddy“, einem von gleich drei Spoken-Word-Stücken, die Avenue umstrukturieren, stirbt erst das Begehren. Dann das Berühren. Und dann ist alles zu spät „I was always ashamed she read ,Costnopolitan‘, I should’ve been proud of her“, spricht The Ig kalt lächelnd späte Einsichten. „I just told her to go. She didn’t go, I had to push. Now this place is peaceful as a grave…“ In „Afraid To Get Qose“ hatte Pop zuvor kundgetan, dass ihn das Schreiben auffresse, „preventing any togetherness with anyone“, selbst oder gerade dann, wenn eine Frau ihr Leben in seine Hand legt Von da ist der Weg nicht weit zur somnambulen Hotelzimmer-Meditation JLong Distance“, nicht zufallig im Zentrum des Albums platziert „My mind is an empty room“ barmt Iggy, die Sucht nach Sehnen, Baby, hat ihn wieder. Immer wieder. Ein Melodram. ^4venueB“ist kein Rock-Album, jedenfalls keins von der gesunden und naiven Stupidität eines J^aughty Little Doggie“. Tracks wie das schleppende „Corruption“ („Corruption rules my souL.“) fugen sich zwar sinnvoll in den Gesamtkontext, sind aber nicht konstituierend für das Album. Und das schlurfende Cover von „Shakin‘ All Over“ wirkt da mittendrin eher wie ein zufällig eingespeister Fremdkörper. Gleich ganz vertraut klingt hingegen, was Medeski, Martin 8C Wood hier als Special guests auf drei Tracks anstellen dürfen. Die hippen Rhythmiker bereichern Avenue ß^mit dem rockenden Latino-Schlenker „a Yo Habla Espanol“ und einem rohen Jazz-Vibe, der besonders toll funktioniert beim dahintrottenden „Feit The Luxury“. In der gut sechsminütigen, wieder eher gesprochenen Nachlese auf die eine, die Kurven hatte wie Delilah und ein Lächeln wie die Sonne, müssen wir sogar mit auf die Intensivstation. „Maybe she ’11 die, maybe Fll cry“, offeriert Pop lakonisch und gibt sich als „practical american from the midwest“ zu erkennen. Besondere Qualitäten? „I can kiss on a grave while welcoming guests.“ Das ist alles nicht so schön, aber vielleicht doch ein bisschen wahr. Irgendwann muss halt jede JFacade“ (Schlusstitel) fallen. Zuvor hatte Iggy Pop in „Motorcydes“ alles Wesentliche noch mal in zwei Merksätzen zusammengefasst L „She’s a fudein‘ Picasso in bed.“ 2. „TU never fall in love again.“ JÖRG FEYER

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