Interpol :: Interpol
Ausgefuchster Wave-Rock mit Ausflügen ins Ätherische
Gerade bei Interpol ist es ab und zu heilsam, sich vor Augen zu führen, wie professionell und ausgefuchst diese Band mittlerweile sein muss. Obwohl man auch beim Hören ihrer vierten Platte am Ende mehr Lust hat, sie sich als trefflich gekleidete Glücks- und-Pechritter mit weißen Krawatten und schwarzen Kerzen vorzustellen, als die letzten großen Romantiker, die sich die Zigaretten mit Eiszapfen anzünden.
Als sie vor kurzem bei David Letterman ihr neues Zickzack-Drama „Barricades“ spielten, sah Sänger Paul Banks mit offenem Hemd, Haarmatte und Sonnenfarbe im Gesicht eher wie ein Britpop-Großkotz aus – klang aber wie immer, streng und verletzt, nach Industriejugend, komplizierter Liebe, Hoffnung auf Transzendenz. Wie gesagt, das können sie wirklich, und es sollte keinen überraschen: Stücke wie „Summer Well“ oder „Lights“ sind beschwingte Interpol-Routine, immerhin Beweise dafür, dass man dem Wave-Rock-Genre heute noch würdige Riffs abringen kann, ohne allzu sehr quetschen zu müssen.
Richtig interessant wird es, wenn sie Pathos und Entgrenzung mal richtig gewinnen lassen, wenn der Schmerzherzschlag für einen Moment aussetzt und Interpol ätherisch werden. Wie in „Always Malaise (The Man I Am)“, wo die Schwermut zeitweise außer Kontrolle zu geraten scheint und die Gesangsstimme nur noch über einem unheilvollem Klaviermotiv schwebt. Oder im grandiosen „Try It On“, in dem man sogar das Pfeifen des Henkers hört, im Refrain sonderbare Stimmen dazwischenquäken und die Geräusche sich mehr und mehr entfesseln – was den frühen, streng gescheitelten Interpol nie passiert wäre. Das nächste Stück „All Of The Ways“ klingt dann wie das Nachspiel auf dem Meeresgrund, mit Acid-Blubbern, ohne Schlagzeug.
Auf Discos, „Grey’s Anatomy“- und „Twilight“-Soundtracks zielen Interpol damit jedenfalls nicht. Ihr Plan scheint wirklich gut zu sein.