Jamie Lidell – Compass
Immer noch unbegreiflich, dass die Biedertypen vom Frühstücksradio vor zwei Jahren nichts mit Jamie Lidells Single „Another Day“ anfangen konnten: Derart hochmotivierten Motown-Gospel mit Vogelzwitschern, Händeklatschen und eingebauter Guten-Morgen-Botschaft bekommt man sonst nie umsonst. Schon gar nicht von einem lebendigen, gut aussehenden Jungmann im weißen Anzug. Der prinzipiell ja das Recht hätte, nach Jahren des aufreibenden Experimentierens und des Underground-Ruhms endlich auch in der langweiligen, aber breitenwirksamen Supersängerliga anzukommen.
Mit der Frühstückshymne und dem Populärsound-Album „Jim“ klappte das jedenfalls nicht – zum Ausgleich lässt er sich nun, bei der Nachfolgeplatte, extra viel hautreizende Schräggitarren, Rumpelgemunkel und Rasierapparat-Bass auf die Songs tackern, von Mitmusikern wie Beck Hansen, Gonzales, Leslie Feist, Leuten von Wilco und Grizzly Bear. Lidells im Herzen traditionell-farbechter Soulfunk bekommt dadurch wieder entschieden mehr Wums und Sex – und wenn es daran etwas auszusetzen gibt, dann nur, dass er immer auch ein wenig den Kasper und Poser spielen muss, um seine Liebe zum Sahnigen, Stevie-Wonder-haften zu rechtfertigen.