Jazz
Er hat einen unverwechselbaren, sanften Sound entwickelt und Heerscharen von Nachahmern auf den Plan gerufen: der Gitarrist PAT MITHINY. Jazz-Puristen schimpfen ihn einen Weichspüler. Sie werfen ihm vor, seine Platten klängen seit 15 Jahren immer gleich. Da ist was dran. Auch Methenys neues Album „We Live Here“ (Geffen/MCA) unterscheidet sich wenig von seinen Vorgängern. Aber dies ist genau die richtige Musik für den Sommer. Jazz light Ohne Ecken und Kanten. Und wieviel musikalischer ist Metheny doch als all die, die ihn nachäffen. Also, am nächsten Hochsommertag: Cabrio aus der Garage holen, Dach runterklappen, Metheny in den CD-Player und aufs Land fahren. Könnte ein schöner Tag werden. 3,0 Ein anderer Gitarrist galt mal als Geschwindigkeits-Weltmeister auf seinem Instrument: der Engländer JOHN McLAUGHLIN. Doch längst ist seine angestrengte Raserei über die Saiten einer ruhigen Gelassenheit gewichen, einer Reife, die ihn zu einem der großen Jazzmusike unserer Tage macht Mit seiner neuen Platte „Aper The Rain“ (Verve) erweist McLaughlin der Jazz-Legende John Coltrane seine Referenz – mit Coltrane-Gassenhauern wie „Naima“ und „My Favorite Things“. Wunderbar die Kombination von McLaughlins jazzig phrasietter, swingender Gitarre, Joey DeFrancescos wuchtiger Hammond-Orgel und dem zugleich präzisen und antreibenden Schlagzeug von Coltranes Weggefahrten Elvin Jones. Eine mehr als gelungene Jazz-Platte. Ärgerlich allein, daß einige Stükke völlig unvermittelt ausgeblendet werden. 3,5 Ziemlich frech und respektlos nähert sich der Saxophonist JA-MKS CARTER auf seinem Album Juntssk Classks“ (DIW/Columbia) den Dinosauriern unter den Jazz-Kompositionen. Der Youngster krempelt mit seinem Quartett die Oldies von Sonny Rollins, John Coltrane, Thelonius Monk und anderen um, daß es eine Freude ist. Und sein Sound auf dem Saxophon ist prickelnd und funkelnd wie ein geschliffener Diamant. Endlich mal wieder eine erfrischende Stimme im monotonen Chor all der neokonservativen Nervensägen, die die Jazzhits von damals einfach nur notengetreu nachspielen. 3,5 WYNTON und BU.IS MARSALIS, der Startrompeter und sein klavierspielender Vater, haben mit Joe Cool’s Blues“ (Columbia) einen Soundtrack zu den Geschichten von Charlie Brown 8C Co. aufgenommen. Doch der gelackte Jazz-Sound des Marsalis-Clans paßt irgendwie nicht recht zu den rotzfrechen Comic-Charakteren des Charles M. Schulz. Ich finde das alles viel zu gestelzt – wie Snoopy im geliehenen Smoking und Lucy im schlecht sitzenden Abendkleid. Eine etwas legerere Aufmachung hätte sicherlich besser gepaßt 2,5 Spirituals und Folk-Songs, Lieder aus den schwarzen Kirchen des amerikanischen Südens und von den Baumwollfeldern haben der Bassist CHARLIE HADKN und der Pianist HANK JONES aufgenommen, ganz allein zu zweit Diese Musik, veröffentlicht auf einem Album mit dem Titel „Steal Away“ (Verve) ist von einer solchen Einfachheit, Schönheit, Intensität und Würde wie die Bilder des Foto-Pioniers Walker Evans auf dem Platten-Cover. Ein Muß. 4,0 Die Hamburger DBVIL’S RU-RATO RAND spielt normalerweise die Begleitmusik zu Robert Wilsons und Tom Waits‘ hochgelobtem Musical „The Black Rider“. Jetzt hat diese Band das Beatles-Album „Abbey Road“ in ihrer Version neu aufgenommen (Elbtonal). Das Ergebnis ist schlicht hinreißend. Denn dem neunköpfigen Theatergraben-Orchester ist das paradoxe Kunststück geglückt, den naiven Charme der Beatles-Songs nicht zu zerstören und gleichzeitig etwas völlig Neues zu schaffen. Diese ,^4bbey Road“ hat Patina, dennoch ist sie ganz modern. Stellenweise klingt sie wie eine Vaudeville-Revue, Zirkusluft und Jahrmarkt düfte wehen durch die Songs. Dann wieder Reggae-Rhythmen oder Jazz-Phrasen. Ein Album voller Humor – hochintelligent, aber nicht kopflastig. 4,5