Jazz :: von Klaus von Seckendorff

Wenn es um KEITH JARRETT geht, hilft nur noch eines: nicht mehr erwarten als die Fortsetzung seines endlosen Standards-Projekts. Wenn’s gut geht, auf höchstem Niveau, in bester Spiellaune des Trios mit Gary Peacock und Jack Dejohnette. Der 30. März in der Orchard Hall in „Tokio ’96“ (ECM) war eine Sternstunde. 4,0

Entdeckungen gilt es anderswo zu machen. Beim Spanier CHANO DOMINGUEZ zum Beispiel. Der hat „In Dtrecto“ (NUBA/sunny moon) genutzt, um – ganz allein am Klavier ein viel weiteres Spektrum zu präsentieren als nur jenen „Flamenco Jazz“, der für ihn ja zum Markenzeichen wurde. Von Ellington über Bill Evans bis zu Jarrert reichen die Einflüsse, die vor allem auf der zweiten CD in ganz eigene, gar spanisch geprägte Solo-Exkursionen münden. 3,5

Nicht halb so spanisch kommt einem die „New York-Barcelona Crossing Vol. 2“ (FSNT/fenn) vor. Der damals schon bemerkenswerte Pianist BRAD MEHLDAU traf 1993 auf zwei Rossi-Brüder als Rhythm Secion und den Altsaxophonisten Perico Sambeat Stimmungsvolle Standards, solide Eigenkompositionen – wenig Grund zur Aufregung. 3,5

Wechselnde Stimmungen, stets weiblich inspiriert, präsentiert die Sängerin NNENNA FREELON. Die Songs stammen von ihr selbst, von Nina Simone, Nona Hendryx, Laura Nyro, Dorothy Fields. Für den Titelsong „Maiden Voyage“ (Concord) mit Herbie am Piano hat zumindest Jean Hancock die Lyrics verfaßt. Unter den handverlesenen Musikern: Bob Mintzer, Clarence Penn und der Bassist Avishai Cohen. 3,5

Der hat in Chick Coreas Band den Platz von John Pattitucci eingenommen und fürs Hauslabel Stretch sein Debüt aufgenommen.“Adama“ klingt nur bei einem Song nach Corea – wenn der auch tatsächlich am Fender Rhodes sitzt. Sonst dominieren unkonventionelle Besetzungen, Klänge und Themen, bis auf „Besame Mucho“ Eigenkompositionen des Senkrechtstarters Avishai Cohen. 4,0

Phil Woods und Mike Mainieri tragen mit dazu bei, daß der singende Pianist/Journalist BEN SIDRAN „Live At The Celebrity Lounge“ (GoJazz) endlich mal wieder rundum überzeugt, weil er ganz entspannt zwischen Fun und Sophistication pendeln kann. 3,5

Erfreulichster Neuzugang des Sidran-Labels GoJazz ist ein Mann aus Memphis, der ebenfalls in die Tasten greift und witzige Texte singt. CHARLIE WOOD stammt aus Memphis, zieht eine Hammond B3 vor und erinnert an Georgie Farne, Mose Allison oder – und das im besten Sinne – an Vince Jones. Relaxtes Bluesfeeling, tolle Songs: höchste Zeit für Charlies Debüt mit „Southbound“. 4,0

Angestiftet von MICHAEL BRECKER, laufen sie alle zur Hochform auf: Pianist Joey Calderazzo, Bassist James Genus und Drummer Jeff „Tain“ Watts spielen „Two Blocks From The Edge“(Impulse)2gklos-modernen Akustik-Jazz mit unaufdringlichen Funk-PopAkzenten.4,0 In mittlerem Tempo bewegt sich KLAUS DOLDINGER mit seinem „Move“ (WEA) auf Drum’n‘-Bass, Gesampeltes und andere Trends zu. Seine Passport-Band kriegt schön schwebende Ethno-Jazz-Grooves hin. Aber sobald das Sax-Thema einsetzt, steht fest: Doldinger bleibt sich verdammt treu. Er klingt wie gewohnt: nach gediegener Allround-Fusion, so verdächtig TV-tauglich wie das Reiseprospekt-Cover der CD. 3,0

Um so schwerer macht’s seinem Publikum der wichtigste Jazzer aus dem „Kantinen“-Umfeld. Posaunist NILS WOGRAM setzt mit „Speed Life“ (ENJA) diesmal auf Hochkomplexes zwischen Jazz-Moderne, Klassik und freien Improvisationen. Spannend, wenn allerdings auch ziemlich kopflastig. 3,5

Schräges ist immer zu erwarten, wenn der „Latin Traveller“-Drummer BOBBY PREVITE den Avantgarde-Gitarristen MARC DUCRET zum Duo bittet. Wie überall, wo abenteuerliche Kollaborationen und Sound-Clash die Gewißheiten durcheinanderrütteln, gibt es auch hier Erschütterungen: Punkrockiges stößt auf Keyboard-Entgleisungen. Selbst schuld, wer hier arglos zulangt und zurückzuckt, weil „In The Grass“ eine Schlange zugebissen hat, die sich in keinen Klischee-Kasten sperren lassen mag.

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