Jazz von Seckendorff

Endlich ein Komponist, der mit Kritiken unbestreitbar Sinnvolles anzufangen weiß: KLAUS KÖNIG hat ein Libretto mit Hunderten von Zitatschnipseln vertont aus Reviews“ {ENJA) zu seinen bisherigen fünf Suiten. Nicht nur textlich geht’s da grotesk zu. David Moss als stimmgewaltiger „Master of Ceremonies“ und das Vokalquartett „The Bobs“ klingen, als hätte Frank Zappa auf Basis halluzinogener Drogen mit Manhattan Transfer gemeinsame Sache gemacht Ray Anderson, Mark Feldman, Gerry Hemingway und weitete zehn Musiker bewähren sich in einem stilistischen Chaos ersten Ranges, mit dem König seine „Reviewer“ an Witz souverän übertrifft. 4,0

„Laß mich in Ruh‘ mit diesem Didgeridoo!“ Ausnahmen bestätigen diese sehr dringend fällige Regel für Möchtegern-Weltmusiker. Adrian Mears, in Australien geboren, nimmt das Instrument ernst wie seine Posaune. Verbissener Ernst allerdings liegt ihm zum Glück so wenig wie Biboul Darouiche und Roberto Di Gioia. Der spielt auf „Bitama“(ENJA) Fender Rhodes fast wie Les McCann zu Zeiten seiner experimentierlaunigen „Invitation To Openness“. Weit abseits von allem, was man auf der Akademie lernt, erkundet das Trio BABAMADU selten heimgesuchte Regionen zwischen Ethno, Funk und Jazz. 4,0

Zum vierten Mal schon stehen aserbaidschanische Traditionen, romantische Klassizismen und die eingängigen Jazz-Kompositionen ihres verstorbenen Vaters Pate. Mama Eliza berät als Co-Produzentin, schließlich hat sie AZIZA MUSTAFA ZADEH das Singen beigebracht Und das tut die Pianistin auf „Sevetith Truth“ (SONY) ausführlicher als je zuvor. Da selbst die klischeeverliebtesten Passagen nicht so peinlich gerieten wie das Cover-Foto, muß niemand den Glauben an das Klavierwunder Aziza gleich ganz und gar verlieren. 3,0

Die letzten Tourneen des Funkbetonten MILES DAVIS der Jahre 1988 bis 1990 lebten von Risikofreude: Davis verließ sich nicht auf die ungebrochene Ausstrahlung seiner Soli. Er räumte Jungmusikern wie Foley und Kenny Garrett große Freiheiten ein. Sein Tonmeister ließ den DAT-Rekorder laufen, und am nächsten Morgen gab’s Manöverkritik. Mit elf solcher Mitschnitte von „Human Nature“ bis „Tutu“ erinnert „Live Around The World“ (WEA) daran, daß diese Konzerte etwas von harschem Draufgängertum hatten, wenn Keyboarder oder Drummer den Groove knüppeldick auftrugen. Und doch fehlte es weder an inspiriertem Zusammenspiel noch an geheimnisvollen Stimmungen. 4,0

Selbst die hitzigsten Improvisationen klingen bei MICHAEL BRECHER noch warm und geschmeidig. Selbst Akustikjazz mit McCoy Tynee, Dave Holland und Jack Dejohnette wird dem Tenorsaxer nicht in den Olymp der Puristen verhelfen. Denen fallt bei „Tales Front The Hudson“ (GRP) sicher just jener Moment auf, wo Pat Metheny zum Gitarrensynthesizer greift – und nicht wie sonst bei den „Tales“ seine Liebe zu Wes Montgomery pflegt. 4,0

Das ganze Spektrum stilistischer und instrumentaler Möglichkeiten lockt, wenn ein Jazz-Pianist solo ans Werk geht Deshalb zählt, was er zu meiden weiß, welche Eklektizismen, Klischees und Leerläufe er nicht nötig hat. „Live In Tübingen“ (Edition Collage) erweckt trotz einiger intensiver Momente den Eindruck, daß bei CHRIS JARRETT der Nachname keine glückliche Fügung ist. 2,5

Unaufgeregt, technisch stets souverän, vor allem aber mit überzeugender Liebe zum heutigen Mainstream setzen TONY LAKATOS und das Trio um Pianist MARTIN SASSE ihre schlichte Devise um: „Ted Ahight“ (Edition Collage) 3,5

Etwas bemüht dagegen wirkt ein Konzert „Live In Budapest“ (LAI-KA), bei dem der Saxophonist Lakatos auf eine prominent besetzte Rhythmusgruppe baute: Joanne Brackeen, Cecil McBee und AI Foster. Professionelle Routine, ausufernde Improvisationen, leicht topfiger Sound – wahrlich kein großes Ereignis. 3,0

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