Jim DeRogatis & Greg Kot :: Beatles gegen Rolling Stones: Die großen Rock’n’Roll-Rivalen

Ehrfurchtsstarre

Eine vertane Chance. Dabei war die Idee nicht schlecht: ein Streitgespräch in Buchlänge über jene Gretchenfrage des Pop, die in den Mid-Sixties nur ganz leere Flaschen mit Achselzucken quittierten. Was freilich nur versteht, wer diese Zeit und ihre existenziellen Zerwürfnisse bewusst durchlebt hat. Die beiden Debattanten kennen den Zwang des Entweder-Oder nur vom Hörensagen, wurden erst in den späten 70ern musiksozialisiert, von „Some Girls“, vom „Roten“ und vom „Blauen“. Entsprechend vielfach vermittelt muten ihre Argumente an, Ikonografien wiederkäuend. Ein weiteres Problem besteht in der apriorischen Übereinkunft, noch hinter der lausigsten Platte Genie am Werk zu wissen. DeRogatis und Kot erstarren „in Ehrfurcht vor den Errungenschaften beider Bands“.

Kein Wunder mithin, dass oft nicht recht klar ist, für wen gerade ein Plädoyer gehalten wird. So ausgewogen wird das Für und Wider verteilt, dass sich die Waagschale nur ausnahmsweise in die eine oder andere Richtung neigt. „Exile“ vor dem „Weißen“, Macca vor Bill, knapp. Ansonsten kommen sich die Kritiker gern entgegen, auch was sich zu einer Kontroverse auszuwachsen und vergnüglich zu werden verspricht, konvergiert früher oder später zu versöhnlerischem Wischiwaschi. Die Sänger? Remis. Psychedelia? Dito. Coolness? Eher die Stones. Einfluss? Eher die Beatles. Die Gitarristen? Keith. Eigentlich. Aber George schon auch. Charlie oder Ringo? „Für mich ein klassischer Fall von Unentschieden“, so Kot, darauf DeRogatis: „Ja, ziehen wir uns mit einem Gleichstand aus der Affäre.“ Passt zum Wackelbild auf dem Cover.

Dabei sind etliche Evaluationen der beiden Kritiker durchaus profund. Wenn ihre Kennerschaft nur nicht so leidenschaftslos, so hasenfüßig wäre. „Sgt.Pepper“ als des Kaisers neue Kleider zu entlarven, wäre ein ebenso Leichtes wie Jaggers Society-Ambitionen der Lächerlichkeit preiszugeben. Kein Fan muss indes fürchten, den Idolen werde auf den Schlips getreten, nonstop wird gelobhudelt und bewundert. Im US-Original (Voyageur Press) wenigstens sprachlich annehmbar, während sich im Deutschen vieles bieder und banal ausnimmt. Aus „Lennon is tripping like a wildebeest“ wird „Lennon ist voll drauf“. Ein Klassenunterschied, der sich schon im Titel manifestiert. „The Beatles vs. The Rolling Stones“ nennt die Antipoden respektvoll beim Namen, der Wegfall der Artikel in der deutschen Fassung spricht Bände. Und „Rock-’n‘-Roll“ wird niemals, unter gar keinen Umständen so geschrieben. Opulent illustriert sind beide Editionen, Stoff für vertiefende, rigorosere Debatten findet sich zuhauf. „Let It Be“ oder „Let It Bleed“? Discuss. (Hannibal, 40 Euro)

Bob Dylan in eigenen Worten **¿

von Christian Williams (Hrsg.)

Ein Zitatenbüchlein, das wenig hergibt, wenn man erhellende Einsichten vom Dich-terfürsten erwartet. Dahingesagtes, aus dem Kontext gerissen. Bobs Einlassungen zum Thema Religion immerhin waren einem krassen Wandel unterworfen, von „Ich glaube an gar nichts“ anno ’66 über „Ich glaube an alles, was in der Bibel steht“ 1991 bis „Ich glaube an Hank Williams“ 1997. Nicht gerade gefestigt im Glauben, der Gute. Was wohl Bono auf den Plan rief (was nicht?), dessen Vorwort so beginnt: „Als ich kürzlich über Bob Dylan nachdachte …“ (PAlmyra, 15 Euro)

The Clash ****¿

von Strummer/Jones/Simenon/Headon

„Das offizielle Bandbuch“ ist ein 400- Seiten-Wälzer mit zahlreichen Texten der Protagonisten selbst sowie von der Band autorisierten Beiträgen. Integriert sind eine kommentierte Diskografie und Tour-Reports, alles stilvoll bebildert, nebst Schlaglichtern auf das Punk-Geschäft. Es sind jedoch die Erinnerungen an die konstitutive Zeit des Punk in London, die Hausbesetzerszene und die politischen Hintergründe der Revolte, die Zynismus erst gar nicht aufkommen lassen. (Heyne Hardcore, 17 Euro)

The Resurrection Of Johnny Cash ***¿

von Graeme Thompson

Das Buch zum Ende eines ungeahnten Comebacks, untertitelt „Hurt, Redemption And American Recordings“. Das biografische Werk setzt am Tiefpunkt an, in einer Periode der Hoffnungslosigkeit für Cash. Nashville hatte sich abgewandt, die Tourneen zogen immer weniger, die Platten waren nichts mehr wert. Rick Rubin schien aus dem Nichts aufzutauchen. Ein Außenseiter, mit den Gepflogenheiten der Country-Music-Community nicht vertraut, aber mit einer Vision, die er zu verkaufen wusste. (Jawbone, 14 euro)

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