Jimmy Webb

Archive + Live

Querschnitt durch die Platten der Siebziger und Live-Aufnahmen

Er betrachtet sich erklärtermaßen als tunesmith und unterstreicht damit entschieden den handwerklichen Aspekt seiner Arbeit. Zwar putzte er in jungen Jahren Klinken bei Musikverlegern, aber ins Klischee des angestellten Lohn-Schreibers, der morgens ins Büro dackelt, um sich dort am Klavier oder anderen Instrumenten möglichst gut verkäufliche Lieder einfallen zu lassen, paßte er nie. Andererseits wäre ihm nie spontan ein kleines Stück Autobiografie wie „In My Life“ eingefallen, ein kompletter autobiografischer Songzyklus wie „Tonight’s The Night“ gleich gar nicht.

Natürlich ließ auch er sich durch Ereignisse und Zufälle des Lebens inspirieren. „Feet In The Sunshine“ schrieb er, nachdem ihm Joni Mitchell ganz privat die Lieder von „Court And Spark?‘ vorgespielt hatte. „P. F. Sloan“ war noch am ehesten ein Beispiel für ein Lied, in dem er private Emotionen durchschimmern ließ. Das in der ersten Person gesungene „Galveston“ ist das genaue Gegenteil und typisch Jimmy Webb, nämlich alles objektivierend. Wie Randy Newman inspirierte auch ihn die Vita von Sigmund Freud zu dem mit milder Komik vorgetragenen „Once In The Morning“. (Freud soll ja angeblich eine Prise Kokain am Morgen und eine zweite am Abend gegen die weitere Langeweile verschrieben haben.) Ausgesprochen schlichtes Liedgut war nie sein Ding, es mußte schon immer etwas komplexer arrangiert sein wie etwa „Feet In The Sunshine“ mit Joni Mitchell im Hintergrund. Als Burt-Bacharach-Fan liebte er die großen Orchester-Arrangements. Das seiner Righteous Brothers-Hommage „Just This One Time“ ist fast schon erschreckend groß und erklärt ein wenig, warum er da und dort auch seine Verächter neben vielen ihn sehr bewundernden Kollegen hatte. Perfektionist im Studio, brachte er es anders als die Kollegin Carole King nie zum Status einer gefragten Konzertattraktion. Was ihm da als Ideal vorschwebte, hätte wohl selbst er mit seinen Tantiemen auf Dauer nicht bezahlen können.

Neben einem Querschnitt aus seinen fünf LPs der 70er Jahre findet man auf der zweiten CD einen fast das Plättchen komplett füllenden Verschnitt von zwei Konzerten, bei denen ihn in der Royal Albert Hall und der Barking Town Hall in London neben Gitarre (Fred Tackett zuverlässig wie bei seinen Studio-Sessions), Baß und Schlagzeug das komplette Royal Philharmonie Orchestra samt dessen Chorus begleiteten. So hat man seine Pop-Symphonien seither nie wieder gehört. Auch da bedarf es eines acquired taste, um das zu mögen. Bedauerlich dennoch, daß sich der Kollege Randy Newman niemals auf so ein Live-Abenteuer mit Streichern auf Platte einließ. (WARNER/ IMPORT)