Joe Jackson – Night And Day II
Zweiter Ausflug in die musikalischen Welten des nächtlichen New York In einer besseren Zeit, manche nennen sie die 80er Jahre, bestaunten wir in einer Sendung, die man „Rockpalast“ nannte, eine merkwürdige Gestalt: einen blassen Säugling mit langen Gliedmaßen. Der Säugling spielte Klavier und sang dazu, er beherrschte Salsa, Balladen und komische Mischformen, er begeisterte das Publikum, und nach dem Konzert kauften alle die Platte des Säuglings, sie hieß „Night And Day“. Ein Star war geboren. Aber ach, die nächste Platte, „Body And Soul“, war so verkünstelt, dass der seltsame Schlaks wieder vergessen wurde.
Joe Jackson war erwachsen geworden, wurde auch immer dünner, veröffentlichte müde Platten, Instrumentalmusik, Opern, Symphonien, eine Autobiografie. Mittlerweile ist der Säugling ein junger Greis, aber noch immer hängt er an New brk und lebt dort auch. Deshalb hat er Night And Day aufgenommen. Es singen die Orientalin Susan Deyhim, der Transvestit Dale De Vere, die Mätresse Marianne Faithfull, und zwar die Texte von Joe Jackson zur Musik von Joe Jackson. Wie schön schwelgen die Violas und Celli, wie dezent pluckern die Synthesizer, wie geschmackvoll greift Joe in die Tasten, wie wabert und gravitiert das alles! „Why smoke is Coming out of ground/ Why Empire State Building green“, radebrecht Deyhim, und Joe barmt „Dear Mom“ und droht: Just because you’re paranoid/ Don’t mean they’re not out to get ya.“
Aber wer wird Joe kriegen? Im fünften Song ertönt die Kadenz von „Steppin‘ Out“, das der Säugling damals im „Rockpalast“ spielte, und in Mariannes „Love Got Lost“ schon wieder.
Heute sind es Stadthallen und Opern, in denen Joe seine Kunstfertigkeit zeigt, im Foyer gibt es Prosecco. Ganz früher war Joe ein Punk und hasste Bäume. Heute liebt er alles an New brk und verspricht: „Ithinkl’Ustay.“ Joe will weg von sich selbst und bleibt doch immer derselbe. Der Fluch des frühen Werks verfolgt ihn.
„Night AndDayW ‚hat seine Momente. Ungefähr zwei So weit Joe auch läuft, so viele Nocturnes er auch komponiert – nichts wird mehr besser als „One More Time“, „The Band Wore Blue Shirts“ oder -Get That Girl“. Armer alter
Joe.
P.S. Gerade erreicht mich ein Anruf von Wolfgang Doebeling, der sagt, Jackson habe die Atmosphäre eines New Ybrker Stadtteils adäquat eingefangen. Ich habe vergessen, wie der Stadtteil heißt.