John Cipollina – Raven

Barry Melton machte es richtig. Als das mit der professionellen Musiker-Karriere nicht mehr so viel Spaß machte, wurde er Rechtsanwalt und spielte nur noch selten in und um San Francisco. John Cipollina hatte aber nicht Jura studiert. Egal, wie chaotisch seine „Karriere“ – muß man schon in Anführungszeichen setzen – nach dem Abschied von Quicksilver Messenger Service verlief: Eine Alternative zur Existenz als Musiker sah er für sich nicht, obwohl auch Projekte wie Copperhead oder Terry And The Pirates nur eine ausgesprochen kurze Halbwertzeit hatten. Im Juni 1988 erklärte er dem Magazin „Relix“ ganz ohne Ironie, er sei „currently in and out of six bands“. Nicht mal ein Jahr später war er tot und das Dinosaurs-Projekt auch am Ende.

Ein anderes 1975 quasi aus der Asche von Terry And The Pirates auferstandenes Projekt war Raven gewesen. Der Traum von Cip, aus deren Mitgliedern und weiteren von Quicksilver, Copperhead, Hot Tuna, der Charlie Musselwhite Band und nicht zuletzt Nicky Hopkins am Piano die grandioseste aller Rock’n’Roll-Big Bands zu formen. Um den Wirklichkeit werden zu lassen, vergatterte er seine Kollegen zu sechs Monate (!) dauernden Proben. Wohlgemerkt: allesamt gestandene Könner und nicht gerade von der High School geflogene Teenager mit Popstar-Ambitionen! Mit Proben kann man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten, sehr wohl aber den Spaß an den immer wieder in irgendeinem Perfektionswahn geübten Songs verlieren. Am 27. Juni 1976 wagte man dann endlich doch den ersten öffentlichen Auftritt (ein Desaster, weil am falschen Ort), das letzte Konzert spielte man am 4. September. Das erste Mal, dass man Aufnahmen von Raven auf einer Platte hören konnte, verdankten dann alle dem Cipollina-Fan Uwe Tessnow von Line Records. Dem hatte Sänger/ Schlagzeuger Andy Kirby eine Kassetten-Kopie des Bandes vermacht, von der dann sieben Aufnahmen auf der „John Cipollina/Raven“-LP erschienen. Sieben Aufnahmen mehr bietet jetzt diese vom „Estate of John Cipollina“ lizenzierte neue CD: Zusätzliche Live- und Studioaufnahmen, alles in neuem Sequencing und mit sehr ausführlichen Liner Notes, die für das rasche Ende der Band letztlich auch nur eine sehr profane Erklärung bieten – zu wenige Auftritte, zu wenig Geld! „Nur für Cip-Kultisten!“ werden jetzt manche Leser vielleicht murmeln. Aber wieviel Potential in dieser Formation (Greg Douglass als zweiter Gitarrist!) steckte, wird ein ums andere Mal bei Songs wie „Unvicious Circle“ klar. Letzterer klingt wie eine verschollene QSM-Aufnahme. „Clouds“ allerdings mehr wie Pink Floyd circa „Obscured By Clouds“ und „Wish You Were Here“. „Ride (Highway Song)“ ist als Duell der beiden Gitarristen mehr wie ein Demo. Wo „Razor Blade & Rattlesnake“ – den meisten sicher besser im Original von Man geläufig – mitgeschnitten wurde, weiß niemand mehr. Das vermittelt zumindest mehr als nur eine Ahnung von den Live-Qualitäten des Ensembles und dem einzigartigen „Ton“ von Meister Cipollina. Das Produzieren hätte er wohl doch besser Profis überlassen. Aber für die war halt kein Geld da.

Besagte Cover-Version des Deke-Leonard-Songs wie auch das schon bekannte „Prayers“ beweisen noch einmal eindeutig: Diese Band hätte doch durchaus die lichten Gipfel des fabelhaften Quicksilver Messenger Service-Albums“Happy Trails“ erklimmen können.

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