Jonatha Brooke – Back In The Circus

Sie fühlen sich wohl mit Pappnase? Sie finden es okay, ewig nur mit den Standard-Kunststückchen gelangweilt zu werden? Dann zurücktreten von der Manegen-Kante, bitte. Die Song-Artistin aus Boston weiß nämlich: Wer sich nicht aufmacht, tritt auf dem Drahtseil zwar nicht fehl, erreicht aber auch nie das neue Hochplateau. Und wer sich nicht aufmacht vor dem Publikum, nur die üblichen Faxen treibt und vor den Erwartungen knickst, wird keinen da unten wirklich im Innersten berühren.

„No Net Below“ heißt eines der offenherzigsten Lieder von Jonatha: „It’s that I leap and then I look.“ Ihr fünftes Album wurde jetzt also eine Nummern-Revue voller Wagemut und von größter Authentizität. Gegen den Trend vertraut Jonatha Brooke, seit 1999 Betreiberin des eigenen Labels Bad Dod Records nicht nur natürlichen Instrumenten und analogen Sounds. Schon die Demos polsterte sie zu Hause mit digitalen Tönen aus, und im Studio ließ sie die Casios und Wurlys munter weiterwabern, die programmierten Drums lustig klickern, klappern und knallen. „Ich benutze Technologie, um noch spontaner und entschlossener zu klingen – ich liebe diese Ironie“, sagt sie.

Oft glückt das, dann bleibt das Getöse brav im Hintergrund und läßt die exquisiten, ausdrucksstarken Vocals von Brooke noch tiefgründiger schimmern. „Sleeping With The Light On“ wird so zum kleinen emotionalen Erdbeben im Stile Tori Amos‘ „Better After All“ zur besonders charmanten Girlpop-Fingerübung. „It Matters Now“, „Everything I Wanted“ und „Sally“ sind sehr erhebende Hybride zwischen Akustik und Elektronik. Und ihre detailverliebt orchestrierte Version von „God Only Knows“ dürfte auch Brian Wilson ein feines Lächeln entlocken. Das folkige „Eye In The Sky“ stellt das pompöse Original von Alan Parsons Project gar weit in den Schatten.

Alle Ergebnisse dieser mutigen Arbeitsweise kann man nicht lieben. James Taylors Klassiker „Fire And Rain“ klingt hier ziemlich manieriert, der Titel-Track unfokussiert, und der abschließende Großraum-Disco-Remix von „Everything I Wanted“ ist sogar richtiggehend ärgerlich. So ist das eben in der Equilibristik: Wer an der Grenze des Denkbaren jongliert, muß mit Mißgeschicken rechnen. Aber wenn es klappt – welch ein aufregender Spaß!

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates