Julian Cope – Interpreter

Mit seinen bunten Klamotten, den wirren Haaren und dem flackernden Blick gilt Julian Cope seit einiger Zeit als das Musterbeispiel des genialen Irren. Seine ehemalige Band The Teardrop Explodes ist inzwischen zwar ebenso unangreifbar wie seine herausragenden ersten beiden Solo-Alben „Fried“ und „World Shut Your Mouth“. Doch Platten wie das apokalyptische Nahverkehrs-Opus „Autogeddon“ oder die üppige Öko-Oper „Peggy Suicide“ haben viele ebenso an der geistigen Gesundheit des Engländers zweifeln lassen wie seine Buchveröffentlichungen (eine bizarre Teardrop-Explodes-Biographie und ein arg hermetischer Band über Krautrock) oder seine exzessiven Live-Auftritte.

Übersehen wird dabei aber nicht nur Copes Ehefrau, von der der 39jährige selber sagt, sie würde schon auf ihn aufpassen, sondern auch sein Gesamtwerk von immerhin 18 Alben: So etwas bekommt niemand hin, der zwei bis drei Schrauben locker hat.

Tatsächlich ist Cope sogar seit Jahren realistisch genug, sich und vor allem seiner Plattenfirma nach etlichen Eskapaden immer mal wieder eine Atempause zu gönnen. „Interpreter“ ist so ein Ding, auch wenn auf eine überraschungsfreie Mainstream-Produktion verzichtet wird. Ein Nachteil ist das aber nur auf den ersten Blick, denn angesichts des aktuellen Erfolgs origineller Sounds dürfte die vehemente Mischung aus schwer groovenden Dancebeats, Psychedelic-Gitarren und Powerpop-Arrangements genau den Nerv der Zeit treffen. Zudem zeigt sich Cope als Songwriter mit zwei Schokoladenseiten: Einerseits präsentiert er mitgröhlfähige Gassenhauer wie „S.P.A.C.E.-R.O.C.K. With Me“ oder „I Come From Another Planet, Baby“, andererseits erfreut er die Musikfeinschmecker mit Edelkompositionen wie „Planetary Sit-ins“ oder „Loveboat“. Sehr schön. Sehr gut zu hören. Prima Platte.

Etwas verquer sind dagegen die Texte, die nicht nur von Außerirdischen, neuen Männern und Bäumen erzählen, sondern zu allem Überfluß auch noch kaum nachvollziehbar zwischen Ironie und Ernst dahinschlingern. Eine Ausnahme, „Battle For The Trees“, ist allerdings sehr erhellend: Das von Kettensägen untermalte Stück über die Demonstrationen gegen eine in England sehr umstrittene Umgehungsstraße bei Newbury steht ohne Wenn und Aber auf der Seite der Ökologen. Und was soll man da noch sagen: Kilometerlange Autostaus, Handy-schwingende Globalinvestoren und Freizeitaktivitäten in virtuellen Welten sind natürlich Wahnsinn.

Singend in einem Baum zu sitzen ist dagegen schlichtweg eine ungewöhnliche Form der Vernunft.

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