June Carter Cash – Keep On the Sunny Side – Her Life In Music

Als die Gruppe Spirit ihrem Zweiten Album den sinnigen Titel „The Family That Plays Together“ gab, implizierte das logischerweise „…Stays Together“. Genau dieses Selbstverständnis hatte die Carter-Dynastie geprägt und damit auch die Tochter der berühmten Mutter Maybelle. Kurios nur, wenn man’s nachträglich recht bedenkt: Carlene Carter und Rosanne Cash haben mehr LPs vorzuweisen als June Carter Cash. Als die 1975 endlich ihr erstes Solo-Album aufnahm, war sie längst auf zahllosen Platten und eigenen Singles zu hören gewesen.

Aber „Appalachian Pride“ (schöner, passender Titel) war tatsächlich ihre erste LP Seit sie Johnny Cash Jahre nach dem Hit-Erfolg von „Ring Of Fire“ – eine Koproduktion von ihr und Merle Kilgore – geheiratet hatte, war eine ihrer wichtigsten Aufgaben geworden, den Star an ihrer Seite nicht immer noch weiter in seine Drogen- und Alkohol-Abhängigkeit schlittern zu lassen. Was bei dem Country-Idol garantiert nicht immer sehr einfach war. Auf einem der vielen raren Fotos, mit der die dieser Werkschau beiliegende Broschüre wie ein recht nostalgisches Familienalbum illustriert wurde, ist eine June Carter bei einem der Knastauftritte des Gatten zu sehen, die schwer angespannt und besorgt schaut. Das ist jedenfalls kein „Stand By Your Man“-Gesichtsausdruck. Der verrät viel eher, daß sie auch in den erfolgreichsten Zeiten des Göttergatten die starke Hüterin des Hauses Cash sein mußte. Weshalb sie ihre Karriere als Sängerin so viele Jahre den Ansprüchen der Kinder und des Stars an ihrer Seite unterordnete und erst gegen Ende ihres Lebens wieder mehrere LPs aufnahm, die zu Recht sogar umgehend mit einigen Genre-Grammys dekoriert wurden.

Insofern kann man den Titel dieser Retrospektive auch symbolisch nehmen. Mit „Keep On The Sunny Side“ mußte sich selbst eine so starke Frau wie June Carter bisweilen selber aufmuntern. Das Mädchen vom Lande, das 1949 mal den Genre-Klassiker „Country Girl“ der Bryants aufgenommen hatte, mußte sich bis zu einem gewissen Grade einem anderen Lebensstil anpassen. Eine der größten frühen Aufnahmen hier ist das von Mutter Maybelle und den Carter Sisters gesungene „Fair And Tender Ladies“, das an niemanden stärker erinnert als an die blutjungen, noch unter der Fuchtel von Vater Ike stehenden Everly Brothers. Reichlich nostalgische Patina liegt auf diesen Nashville-Produktionen der 50er Jahre. Und pur akustisch instrumentiert, war das u. a. mit Luther Perkins und Floyd Cramer aufgenommene „Without A Love To Call My Own“ schon für die Country-Verhältnisse von 1964 ein reiner Anachronismus. Entschieden zeitgemäßer und kommerzieller klingen Duette mit Johnny Cash, mit denen die zweite CD beginnt, neben „Jackson“ und „If I Were A Carpenter“ eine Aufnahme von Kris Kristoffersons edelschnulzigem „The Loving Gift“. Zu den größten Aufnahmen des Solo-Debüts zählte der Country-Heuler „Gone“, und neben dem Titelsong tauchen zur großen Freude auch die meisten anderen Aufnahmen von „Appalachian Pride“ auf.

Jeweils nur ein einziger Song dann von „Press On“ (1999) und dem posthum erschienenen „‚Wildwood Flower“, für das sie noch ein letztes Mal „Keep On The Sunny Side“ aufnehmen mußte – das jetzt fast wie ein field recording aus den 40er Jahren anmutete und so authentisch wie auch „Diamonds In The Rough“ klang, mit Earl Scruggs noch rechtzeitig vor ihrem Tod für Folge 3 von „Will The Circle Be Unbroken“ eingespielt. Neben sachkundigen Ausführungen von Holly George-Warren steuert Elvis Costello Liner Notes bei, die seine Bewunderung für die Frau unterstreichen, die im unordentlichen Haushalt von Schwiegersohn Nick Lowe in London manchmal nach dem Rechten sehen mußte. Etwas merkwürdig schon der letzte Satz in den Liner Notes von Marty Stuart. Die schließen mit dem sicher als Lob gemeinten: „She was the best ex-motherin-law I ever had.“ Bizarr.

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