Lauryn Hill – MTV Unplugged No. 2: Akustische Insolvenzerklärung der ehemals fabelhaften Sängerin :: COLUMBA/SONY
COLUMBA/SONY Akustische Insolven?erklärung der ehemals fabelhaften Sängerin Haben sie wenigstens versucht, es ihr auszureden? Oder einfach achselzuckend die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen angesichts einer Frau, die scheinbar wild entschlossen war, sich mal eben die Karriere zu ruinieren? Oder ist die Gemeinde doch schon so gläubig, dass sie einfach alles schluckt? Auch dieses unausgegorene Sammelsurium halbgarer Ideen und selbstverliebter Interludes, die gar nicht enden wollen und gleich sieben Mal diese elf neuen Songs einführen bzw. unterbrechen? Dazu gibt es zum Ausklang noch ein Cover von Bob Marleys „So Much Things Tb Say“ sowie eine Adaption des Traditionais „Conquering Lion“. Vier Jahre nach dem wundervollen Solo-Debüt „The Mis-Education Of Lauryn Hill“ erfindet sich die Super-Miss des brillanten Straßen-Soul neu als lamentierende Folk-Predigerin an der Akustik-Gitarre, die sich selbstgefällig ihrer Emanzipation der letzten Jahre versichert „Please, don’t let me entertain you , fleht Hill gleich zu Beginn den bösen „Mr. Intentional“ an, der sich – natürlich – auf „one-dimensional“ reimt. Keine Sorge, sowas wie gute Unterhaltung droht hier wirklich nicht. Stattdessen verklickert uns die immer noch sehr schöne Frau Hill, dass sie „retired from the fantasy part“ sei und auch „keine Performerin“ mehr sein wolle. Das ist leider alles wahr. Die Phantasie schlägt hier wirklich keine Funken ob eines bleiernen new realism. Und wenn es zum Handwerk einer guten Performerin gehört, dass man sein Material nicht nur heiseremphatisch, sondern auch ton- und textsicher vorträgt – dann ist Hill eben keine wirklich gute Performerin mehr. Stattdessen erzeugt sie nur eine weitere Illusion, obschon sie es besser wissen müsste und doch ach sooo realistisch tut. Die Illusion nämlich, dass wir alle wie große Schwestern und Brüder bei ihr auf der Bettkante sitzen dürfen, wo sie uns ihr großes Herz auschüttet und ihre unerschütterliche Seele bloßlegt. Bis selbst ihre Brust platzt und tatsächlich öffentlich Tränen fließen. Dass es gar keine Bühne für sie mehr gibt, die in diesem Fall ausgerechnet auch noch bei MTV steht. Kein Funke Hoffnung in diesem Emo-Terror? Nun, „Freedom Time“ lässt ahnen, welchen Rap-Flow sie nachwie vor drauf haben kann. Und Just Want You Around“ ist einfach mal ein schöner Schuss Sehnsucht ohne große Message. Alle Songs, sagt Lauryn Hill noch, handelten von „me first“. Warten wir ab, bis sie wieder übers Ego hinausblicken kann. JÖRG FEYER