Lenny Kravitz :: 5
Das ist nichts. Überhaupt nichts. Diese Platte gibt es gar nicht. Als hätte man abends noch mehr getrunken als sonst und stürbe daran, mitten in der Nacht. Sofort kommt man in die Hölle, wo man von einem Zweite-Klasse-Teufel empfangen wird. Es ist Lenny Kravitz! Er sagt: „Hey, Mann, ich habe hier meine neue Platte, die spiel‘ ich dir mal vor, was?“ Und los geht’s, aber bald wacht man auf, uff, es war nur ein Traum. Vor dem Bett steht die Freundin. Sie lächelt dämonisch: „Guck mal, ich habe dir die neue Platte von Lenny Kravitz mitgebracht. Ich leg‘ sie mal auf, ja?“ Und los geht’s, aber da wacht man schon wieder auf. Es klopft, und herein kommt ein häßlicher Kerl in einem rotgrün gestreiften Pullover. In der Hand hält er die neue Platte von Lenny Kravitz: „Ich komme von VIVA“, erklärt er böse kichernd. „Und ich hab‘ hier was für dich.“
Die Gitarre röhrt wie bei Funkadelic (frühe 70er Jahre), Prince (späte 80er Jahre) oder eben Led Zeppelin (damals). Die Keyboards wabern wie auf zu Recht vergessenen Soul-Platten der späten 70er Jahre.
Andererseits war Lenny Kravitz ja immer der etwas unseriöse Retro-König und hatte mit seinem Debüt „Let Love Rule“ noch alle glücklich gemacht, die John Lennon, Otis Redding und Jimi Hendrix verehren. Später obsiegten seine Spleens oft über sein Talent, und der Hang zu Egomanie und zum Gebrauch alten Equipments nahm beim letzten Album, „Circus“, beinahe groteske Züge an. Noch immer bedient Kravitz am liebsten alles selbst, doch für „5“ hat er sich – darin ganz modern – elektronischem Instrumentarium zugewandt. Mit dem Ergebnis, daß die Songs zwar nicht nach Big Beats klingen, aber doch recht skurril. Die Plattendirma grübelt, wo denn da die Single versteckt ist. Seltsame Dinge passieren, Lenny verläßt seinen Stammplatz, und das Publikum staunt.
Vielleicht die letzte Chance, noch die Kurve zu kriegen, bevor er ab Epigone belacht wird. Kravitz soll, wie man hört, ganz schön wunderlich geworden sein. Das paßt dann auch. Laßt Milde walten.