Leonard Cohen :: Old Ideas

Ein weiteres Alterswerk vom Teilzeitmönch, Liebhaber und Sinnsucher - diesmal ohne Schwächen

Es ergibt keinen Sinn, bei Leonard Cohen von einem Alterswerk zu sprechen, denn jedes seiner Alben ist ein Alterswerk. Das Ende war schon immer nah, wenn er von den Frauen in seinem Leben sang oder von Gott. Er mag mit den Jahren weiser geworden sein, der Erleuchtung näher gekommen als wir transzendental Obdachlosen, doch er blieb ein Zweifler und Ironiker. Das bewahrte ihn als Künstler davor, irgendwann in einen leeren Spiegel zu schauen und statt großer Sentenzen nur noch Glückskekssprüche zu dichten.

„I’d love to speak with Leonard/ He’s a sportsman and a shepard/ He’s a lazy bastard living in a suit“, murmelt Jikan – „der Stille“, so Cohens Name als Teilzeitmönch – vom Klosterberg hinab und bricht das Schweigen. „Going Home“ heißt der Song, und man weiß nicht so recht, ob er in sein Apartment heimkehren will oder ins Himmelreich. „Going home without my burden/ Going home behind the curtain/ Going home without the costume that I wore.“

Acht Jahre haben wir auf ein neues Album von Leonard Cohen warten müssen. In der Zwischenzeit hat der Dichter sich durch eine Welttournee finanziell saniert und – wie es seine Art ist – Songideen so lange hin und her kontempliert, bis sie perfekt waren. Einige der neuen Lieder hat man schon hören können bei den Konzerten: etwa den dunklen Blues „The Darkness“ und „Lullaby“, das Requiem für eine Liebe. Abend für Abend feilte er an ihnen. Ein weiterer Blues, das weise, komische „Feels So Good“, hat es leider nicht auf „Old Ideas“ geschafft – noch nicht fertig, zurückbehalten für „Even Older Ideas“ vielleicht.

Es scheint die elegante, geschmeidige Tourband zu sein, die diese Ideen eines alten Mannes begleitet. Das Oud tippelt, das Banjo pluckert, das Cello klagt, die Geige lächelt, das Klavier perlt, die Orgel hat sich einen leichten Gospel eingefangen, die Synthesizer singen leise und die Webb Sisters harmonieren, selbst Jennifer Warnes ist wieder zu hören. „Going Home“ und die betörende Litanei „Amen“ sind gleich zu Beginn unsere Erlösung nach dem billig tönenden „Ten New Songs“ und dem skizzenhaften „Dear Heather“. In „Crazy To Love You“ geht Cohen gar an die Anfänge zurück, spielt seine einsame Flamenco-Gitarre und singt dazu, als habe er kurz die Gravität des Alters vergessen. Sein Bekenntnis „I’m tired of chosing desire“ klingt da nicht besonders glaubhaft, zumal er im Lied zuvor noch „filthy“ war und „naked“. Doch er zeigt Demut vor Gott, bittet die verschmähte Liebhaberin um Verzeihung, und am Ende, im leichtfüßigen „Different Sides“, seinem ersten Popsong seit „First We Take Manhattan“ vielleicht, tänzelt er sich in die Freiheit: „You want to change the way I make love/ But I wanna leave it alone.“

Leonard Cohen, der Liebhaber und Sinnsucher, der Mann in den eleganten Anzügen und dem Mönchsgewand, ist heimgekommen. Hat sein Apartment bezogen, ganz oben im Tower Of Song. (Sony) maik brüggemeyer

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