Lisa Germano – Slide :: RTD

Slide Mehr als einmal möchte man schwören, dies könne nur Nico sein, die da hohlwangig ihrer Gruft entsteigt und zum sakralen Moll des Harmoniums von der Vergänglichkeitaller Dinge kündet. Keine Frage: Germano, als fiedelnde Muse des nicht minder patenten John Mellencamp noch in guter Erinnerung, teilt mit der teutonischen Doomsday-Chanteuse nicht nur den Hang zum kammermusikalischen Weltschmerz, sondern auch die Neugier auf klangliche Grenzerfahrungen. Wann immer sie ansatzweise Gefahr läuft, sich dem chartographierten Terrain rhythmischer Banalitäten und melodiöser Beschaulichkeiten zu sehr zu nähern, wird gleich das Füllhorn undefinierbarer Dissonanzen gezückt. Da schliert und eiert es gar wundersam, schleift, kratzt und scheppert – eine defekte Spieluhr, deren desolate Mechanik gerade ihr abenteuerliches Eigenleben entdeckt.

Das eklektische Klang-Arsenal (gekrönt von einer unsäglich quäkigen Billig-Orgel aus den Gründerjahren, von Germano „Fun Machine“ getauft) wurde ihr von Tchad Blake ins Studio gestellt. Am Mischpult das gute Gewissen von Produzent Mitchell Froom (Vega, Costello, Los Lobos), hat Blake längst gelernt, seine puristische Klangästhetik auch federführend umzusetzen. Was Transparenz, Wärme und die räumliche Positionierung all der unterschiedlichsten Klangquellen betrifft, ist ihm mit Germanos fünftem Album jedenfalls schon jetzt das Meisterstück gelungen (wobei die architektonische Gestaltung dieser aquarellartigen Soundlandschaften vermutlich für jeden Produzenten eine dankbar angenommene Herausforderung wären).

Die Bereitschaft, die tradierten Landkarten beiseite zu legen und sich in Germanos akustischem Labyrinth zu verlaufen, wird dem Hörer trotzdem abverlangt Und auch eine Neigung für gepflegte Tristesse sollte man mitbringen, denn hinter den Büschen lauert dräuend die Depression – auch wenn Germano ungerührt behauptet, dies seien die optimistischsten Songs, die sie je geschrieben habe. Das freilich ist ein Eindruck, der allein der Künstlerin vorbehalten ist – sie wird wissen, was sich im lockenden Metaphernwald verbirgt. Mit den (meist) platt-plakativen Parolen der „angry young wo men“ verbindet Germano jedenfalls wenig, ebensowenig mit der geballten feministischen Sensibilität ä la „Lilith Fair“.

Wer ihr deswegen gleich pathologische Depressivität attestiere, so Germano, der werde sich noch wundern. Das nächste Album nämlich solle noch positiver ausfallen. „Was, zugegeben, gar nicht so leicht ist Vielleicht wird’s deshalb letzdich auch rein instrumental ausfallen.“ Nur Geige, Orgel und gute Laune.

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