Lou Reed – Animal Serenade
Sie hat auch ihre Überraschungen, die neue Platte von Lou Reed. Ein Live-Album. So hätte man sich den Jubel des Publikums doch ein wenig enthusiastischer ausgemalt, in dem Moment, in dem es wirklich allen im Wiltern Theatre in Los Angeles klar geworden sein musste, dass das nächste Stück tatsächlich „Venus In Furs“ werden wird. Damit sei schon verraten, dass Lou Reed seine Lieder für Velvet Underground hier nicht einfach vergessen wollte. Im Gegenteil: Er widmete sich diesem Kapitel ausgiebig, und bei der Dame im Pelz drehte er mit trotzig herausgestelltem Streichinstrumentgesäge dem alten Feind/Partner John Cale eine lange Nase (das Solo wurde dann doch heftigst bejubelt); auf seinen einzigen je in den Charts notierten Hit „Walk On The Wild Side“ dagegen verzichtete er.
Okay, Erbsenzählerei. Wenn einer aber so lange mit dabei ist wie Lou Reed, verlagert sich das Interesse auf die Rezeptionsgeschichte. Wie der Hausherr im Wohnzimmer seiner Songs umgeht. Bei einer Live-Audienz hofft man dann auf intime Vertraulichkeit und bekommt mit minimal Serenade “ den gut gelaunten Lou Reed, der sich deswegen noch lange nicht unter den Morgenrock gucken lässt, ganz bestimmt nicht, und wenn er in einer Vorbemerkung zu „Street Hassle“ bekennt, sich eigentlich als Literat zu verstehen, als ein Schriftsteller wie Burroughs oder Selby, halt mit der Gitarre umgehängt, memoriert er nur wieder die Lou-Reed-Rockgeschichtsschreibung.
Beim Hören von „Animal Serenade“ fällt einem erst mal wenig mehr ein, als dass das einfach eine gediegene Arbeit ist. Animal: Das Tier ist der Bettvorleger. Längst erlegt. Die Geschichte, die erzählt wird. Die Betonung liegt auf dem zweiten Wort. Serenade: Ein Ständchen. Abgeklärt und im guten Sinn routiniert, hübsch aufgegospelt zum Americana-Soul. bei dem sich in „How Do You Think It Feels“ (to feel like a wolf and foxy…) das Tier doch wieder kurz in den Textbrocken verbeißt. Und weiter? Es gibt eine arg entzauberte Version von „Sunday Morning“ und das Kunsthandwerk von „The Raven“, also ganz frühes und ganz aktuelles Material. Bei „Candy Says“ überlässt Reed einem Mitmusiker das Mikro für eine Besinnungsschmonzette, dass man sich fragt, ob Herr Reed vielleicht etwas gegen den Song hat. Zum Schluss tatsächlich „Heroin“. Neun Minuten lang, kleines Feuer. Insgesamt etwas über zwei Stunden fraglos gute Unterhaltung. Eine wirkliche Antort aber ist das nicht.