Lucinda Williams :: Essence
Man hatte das gar nicht kommen sehen: Volle sechs Jahre hatte sich Lucinda Williams für ihr letztes, allerorts hoch gelobtes Album „Car Wheels On A GW/W Zeit gelassen, hatte bis zum Schluss viele Mietmusiker bemüht und Produzenten entnervt, und schon jetzt, nach bloß drei Jahren und wenigen Monaten Studioarbeit, liegt der Nachfolger vor – in der Zeitrechnung der Poetentochter aus Lake Charles ist das ja wohl ein Schnellschuss.
Auch in anderer Hinsicht drehen sich bei den elf Liedern von JEssence“ alle Tische: War „Car Wheels…“ noch ein gut gebautes Haus mit vielen verschieden dekorierten Zimmern, entwirft Williams mit Hilfe des Jungspunds Charlie Sexton, der hier produziert, arrangiert und selbst die Gitarren bedient, einen einzigen weiten Raum, in dessen Halbdunkel viel gesagt wird von enttäuschter Liebe, einsamen Mädchen und der Unmöglichkeit anzukommen, die im Werk der Liedschreiberin allerdings immer das Thema war.
Williams verzichtet auf das Hymnische und klar Beleuchtete des Vorgängers, stellt das Licht der eigenen Liedschreibkunst mit genügsamen Akkordreihungen unter den Scheffel und lässt keine Konkurrenz mehr zu zum eigenen bittersüßen Organ. Spannungsbögen gibt’s kaum, nur stumme Intimität und selbstbewusst untettriebene Schönheit, wie in dem traumwandlerischen „Out Of Touch“ oder „I Envy The Wind“. Klar vermisst man den schnodderigen Saitentwang des zuletzt so wichtigen Gehilfen Steve Earle; an dessen grobe Deutlichkeit erinnert lediglich der lasziv-gebrochene Titelsong, in dem Williams den immer gleichen Flüsterton sein lässt und kurz das Licht anknipst Freilich nur, um eine eher wenig erbauliche Szene zu beleuchten: Williams singt von zerstörerischer Liebe und von üblen Trieben, von denen sie wenig später, in dem derben Bayou-Stomp „Get Right With God“, erlöst werden will es geht halt immer um allerlei Unerlöstes und verletzliche Momente, die die Williams mit wehmütig-spröder Authentizität lautmalt Das kann sie natürlich wie kaum jemand sonst, und so wird „Essence“ ein Liedzyklus, mit dem Williams die eigene Essenz genauer konturiert und sich, bestärkt womöglich durch die zuletzt erfahrenen Adelungen, mehr denn je aufs persönliche Vermögen verlässt.