Lyle Lovett – Natural Forces

Das ging ja fixer, als zuletzt geunkt (siehe RS 5/09). Nur gut sechs Monate liegt seine erste Live-Visite nach gefühlten 60 Jahren zurück, die in kleiner Besetzung ein altes Album seiner großen Band verkaufen sollte. Was auf kuriose Weise einer Karriere entsprach, die hier zuletzt nicht mehr wirklich stattfand. Gerade mal für seine Verhältnisse schlappe zwei Jahre nach dem VS-Release von „It’s Not Big, It’s Large“ wartet Lyle Lovett nun bereits mit dem nächsten Werk ohne ganz große Verstärkung auf. Und auch da erwachsen aus scheinbarer Not (alte) Tugenden.

Die Not waren möglicherweise diese nur vier neuen eigenen Songs, die es auf „Natural Forces“ geschafft haben. Doch warum wieder eine halbe Ewigkeit auf sechs, sieben weitere warten? Schließlich gibt’s da gleich im texanischen Hinterhof ein riesiges Songschreiber-Universum, welches Lovett 1998 selbst mit seiner großen Hommage „Step Inside This House“ nur ansatzweise erkunden konnte. Drei der schon damals Bedachten kommen hier erneut zum Zug. Darunter mit Townes Van Zandt auch der üblichste Verdächtige („Loretta“). Welche Klasse Lovett als Interpret nach wie vor hat, zeigt indes viel eindringlicher Eric Taylors traurig-trotziges „Whoopin‘ Crane“. Oder auch das still staunende Bekenntnis „Sun & Moon & Stars“ des Überlebenskünstlers Vince Bell. Zur Houston-Szene der 70er Jahre gehörte mit Uncle Walt’s Band auch David Ball („Don’t You Think I Feel It Too“), während die qualitativ kaum abfallenden Beiträge der No-Names Tommy Eiskens („Bohemia“, mit dominanter Slide) und Don Sanders („Bayou Song“) noch einmal hinreichend dokumentieren, wie groß und gut der Hinterhof in Klein, Texas ist.

Damit’s kein Vertun gibt, schüttet Lyle Lovett die Eigengewächse gleich mal zu Anfang von „Natural Forces“ am Stück aus. Dabei gelingt ausgerechnet diesem Ausbund an Bodenständigkeit mit dem Titelsong und der nicht wirklich ironischen Parole „Home is where my horse is“ eine zeitlose Hymne auf die Rastlosen jenseits von bloßer Cowboy-Attitüde. Die bewährte Komik von „Farmer John“ und „Pantry“ korrespondiert mit dem swingenden Country-Irrwitz einer Band, die loslegt, als hätte sie gerade „Rauchende Colts“ gesehen. Schließlich zieht Lovett mit „Empty Blue Shoes“ noch einen feinen Schleicher aus dem Hut.

Als Resümee passt abschließend ein Gemeinschaftswerk, das stilistisch mit unverhohlenen „Money For Nothing“-Anklängen schwer aus dem Rahmen gehobener Americana-Kunst fällt. „It’s Rock’n Roll“ (Co-Autor: der alte Front-Porch-Buddy Robert Earl Keen) ist eine Art späte – und natürlich humoristische – Replik auf die Tour-Romantik, die selbst „Running On Empty“ noch irgendwie beschworen hatte. Die Assoziation liegt nahe, inklusive Anspielung auf die Groupie-Ode „Rosie“, wenn Lovett singt: „The one you love the most just ran off with your drummer…“ Das geht vermutlich nur, weil der Drummer heute derselbe ist wie damals bei Jackson Browne. Pikante Details also bei Gelegenheit mal bei Russ Kunkel erfragen.

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