Lyle Lovett
London, Royal Festival Hall
Ob Zufall oder Absicht war nicht zu erfahren, aber als Auftaktmusik zur fast familiären Konzertveranstaltung in der aula-ähnlichen Festival Hall an der Londoner South Bank ertönte tatsächlich „Mackie Messer“ – auf deutsch. Später, im Verlauf des Abends, rief eine weibliche Stimme mit englischem Akzent:“Ich liebe Dich!“ Und Lyle Lovett murmelte gefaßt ins Mikro: „Thank you very much.“
Lovett ist das, was man in den USA auf dem Land als Maverick bezeichnet: ein ausgerissenes Kalb, das sich der Herde nicht anpassen will. So ungewöhnlich wie die Kleidung aller beteiligten Musiker, nämlich ganz in Schwarz, so außergewöhnlich ist auch die Begleitung des deutschstämmigen Songschreibers: Kontrabaß samt Cello, Violine samt Congas, Blasinstrumente, dazu Drums und ein britisches Streichquartett namens Electra Strings.
Das Publikum ist hingerissen vom ständigen Kommen und Gehen der Musiker-Elite, vom unterhaltsamen Wechsel zwischen Ballade, Reisegeschichte, Jazz-Improvisation, Country-Rock und gospelgeschmücktem R&B. Man jubelt, wenn Lyle in seinen Cowboystiefeln ausgerechnet zu „Mr. Need“ betont linkische Tanzschrittchen vorführt. Es bleibt zwar rätselhaft, warum auf und vor der Bühne an Licht gespart wird, aber Lyle gewinnt selbst dem obskuren Dunkel Charmantes ab:“Ich mag es hier, es ist so gemütlich.“
Wenn Lovett den raunenden Erzähler gibt und es schafft, Parallelen zwischen Louisiana und London aufzuzeigen, dann schmelzen alle dahin. Zwei Stunden unterhält der studierte Journalist und Laienschauspieler Lovett, und wenn er singt „I Got The Blues“, dann glaubt man ihm natürlich kein Wort, soviel beseelten Charme strahlt der Mann aus.