Manic Street Preachers – The Holy Bible

Es war Richey Edwards‘ Album und sein letzter Schrei ein Konvolut aus vollmundigen Zitaten, halb verstandener Philosophie, Sozialromantik, Wortspielen, spätpubertärer Poesie und Weltekel. Auf der Bühne hampelte Edwards neben den drei Musikern herum, selten im Bild – Poster-Boy, Ketzer und Märtyrer zugleich. Fünf Bücher las er in einer Woche, so Nicky Wire im Rückblick – da konnte der Bassist nicht mithalten, der 1994 geheiratet hatte und gern daheim staubsaugte. Freund Richey diktierte die meisten Texte und warf dann die Brocken James Bradfield hin, der zu „Yes„, „Archives Of Pain“ und „Revol“ die Musik schreiben musste. Der Sänger erinnert sich an seine erste Irritation.

„The Holy Bible“ war das dritte Album der Manie Street Preachers, ein Ruf zu den Waffen nach dem feisten „Gold Against The Soul“. Sie hatten selbst gemerkt, dass die Provokation von „Generation Terrorists“ schnell vergangen war und die zweite Platte bloß Schweinerock enthielt (und „From Despair To Where“). Jetzt kleideten sie sich in wüsten Militär-Klumpatsch mit Orden, Bradfield zog sich eine Pudelmütze über den Kopf -und so rockten sie durch die englischen Fernsehprogramme: „Faster“, „P.C.P.“, „She Is Suffering“. Glastonbury. Reading. Gitarren zertrümmern. Die Revolution beginnt hier.

Aber es war nicht nur Krachschlagen. James Bradfield gelangen einige seiner schönsten Songs zu den schwierigen Textlawinen, „She Is Suffering“, „Die In The Summertime“, der unvergessliche Riff von „Faster“: „I am stronger than Mensa, Miller and Mailer.“ Damals, fast zur selben Zeit wie das Heraufdämmern des dumpfen Oasis-Hedonismus, wollte kaum jemand „The Holy Bible“ verstehen. Heute feiert die britische Musikpresse die sperrige Kampfschrift gegen Konsumismus, Amerika und Geistesträgheit als Triumph der Waliser – dabei war es eigentlich erst „Ererything Must Go“, das die Manie Street Preachers allgemein beliebt machte. Da war Richey Edwards bereits verschwunden.

Die Edition zum zehnten Jubiläum entspricht ganz und gar dem ausufernden Charakter des Albums: Es gibt einen kompletten „US Mix“ der Platte, Live-Versionen, Demos und eine DVD mit Fernsehauftritten (darunter eine ergreifend schlichte Session mit Bradfield und Wire an akustischen Gitarren), Live-Mitschnitten, Videos sowie einem langen Interview mit den drei verbliebenen Akteuren. Diese gemütlichen Burschen sind sichtbar nicht dieselben, die ehedem diesen Furor, diesen Gedankenterror entfachten. Heute singen sie „If we can still fall in love/ Embrace with us – make your own Glasnost“ Richey wäre damit nicht einverstanden. „Scratch my leg with a rusty nail, sadly it heals.“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates