Matthew Ryan – Mayday
Ein Mann, eine Zigarette, eine Schreibmaschine, ein leerer Blick: Mit gepreßter Stimme gibt Matthew Ryan noch einmal die autobiographisch gequälte Seele, weitgehend ironiefrei, aber doch auch mit sarkastischem Seitenblick. „I’m as pathetic as a junkie who knows what he does“, heißt es abschließend in „Railroaded“. Mit seinem Debüt „Mayday“ schlägt der Songwriter aus Pennsylvania Alarm im emotionalen Dickicht, das sich über die Jahre angesammelt hat wie lästiges Unkraut. Ein Befreiungsschlag, sicher. Ryan macht sich zwar über eine (seine?) Therapeutin lustig („She’s got a heart like a yacht, but she’s all screwed up…“), doch den therapeutischen Effekt all seiner Bemühungen wird er deshalb kaum gering schätzen.
Schließlich hat der Mann ein Herz aus „Chrome“ (Songtitel). Und eine Erinnerung wie so ein Spinnennetz: Selbst die ganz häßlichen Fliegen bleiben irgendwie hängen. „Well someone once said if you never look back/ Then you’ll never regret, nothing“, singt Ryan. Und man ahnt schon, was kommen muß. Nämlich: „Oh but nothing has got a way of sneakin‘ up.“
Und für ein Nichts richtet das Nichts ganz schön viel an. Schon die Titel wie „Guilty“, „Irrelevant“, „Disappointed“ – sprechen bündig Bände über Verbitterung, Verlust und Versteckspiel. How does itjeel- tofeel nothing? Nein, das ist nicht lustig. Aber auch kein Grund, den Kopf gleich ganz in den Sand zu stecken. Mag die Liebe auch nicht mehr taugen als Rettungsanker, nachdem der „Dam“ der Sprachlosigkeit gebrochen ist, nachdem man noch einmal den „Beautiful Fool“ gespielt hat, der erkennen muß: „If you’re looking for me to make you feel, well, I’m looking for that myself.“
Daß trotz latenter Larmoyanz zumindest einige von Ryans Songs über den Tag und die Krise hinaus Bestand haben könnten, dafür sorgt nicht zuletzt die Produktion von David Ricketts (David ÖC David, Toni Childs). Mal umschmeichelt er seinen Schützling mit gedämpften Folk- und Country-Sounds, etwa in „Lights Of The Commodore Barry“, der bitterhalluzinatorischen Reminiszenz an eine Kleinstadtkindheit J was all fingers numb holding a brown paper tünch, twelve years old and already ashamed.“ Meist aber lockt er Ryan mit breitbeinig-geradlinigem Rock ordentlich aus der Reserve.
In der letzten Begegnung „Certainly Never“ allerdings verstummt Matthew Ryan fast hinter seinem tröpfelnden Piano. Und bringt dann doch noch lakonisch hervor: „The front porch, the long road, a train whistle. There she goes.“ Wieder einmal: Da bleiben nur die Schreibmaschine, die Zigarette, der leere Blick. 3,0