Max Raabe :: Küssen kann man nicht alleine
Witzig-melancholische Lieder
des formvollendeten Sängers
Es soll Menschen geben, die Max Raabes Chanson-Manierismen, die Beschwörung von patinierter Grand-Hotel-Seligkeit und laszivem Schlager-Schwof, verdächtig bis unerträglich finden. Wie der etwas saloppere Bruder Leichtfuß, Ulrich Tukur, pflegt der Sänger Wortwitz und Melancholie, Attitüde wie Sentiment aus vergangener Zeit – sie glorifizieren (muss man es schreiben?) die Freiheit und die Poesie der Weimarer Republik, nicht den Terror und den Kitsch der Nazi-Barbarei. Raabes Arbeiten mit dem Palast Orchester sind berühmt auch in Japan und in den USA, ihre nostalgische Kunst ist von einzigartiger Schönheit.
Annette Humpe, eine Frau mit erlesenem Geschmack, rief Raabe eines Abends an, weil sie eine Sentenz für ihn gefunden hatte: „Küssen kann man nicht alleine“. Daraus erwuchs die Zusammenarbeit an diesem Album, das Raabes wundersamen Gesang mit wohltemperierten Orchester-Arrangements und kleiner Chanson-Form verbindet. Der Pianist und Arrangeur Christoph Israel leistete wie beim Palast Orchester Meisterliches, unterdrückte jeden Bombast und unterstrich noch die Eleganz des Counter-Tenors; die meisten der ironisch-tutigen Texte schrieb der formulierungsversessene Max Raabe selbst.
Das alles ist liebevoll, diskret, erlesen – und beinahe so glanzvoll wie die Couplets, die Raabe sonst in seinem Tanzpalast des luxurierenden Gefühls darbietet. (Universal) Arne Willander