Megafaun :: Megafaun
Verschlungene Folk-Songs von drei hochtalentierten Hippies
Megafaun, das sind drei bärtige Erz-Hippies, die sich sicher nicht ohne Grund nach dem römischen Waldgott Faunus benannt haben. Von dessen ausschweifendem Fruchtbarkeits-Fest Lupercalia sang ja neulich erst Patrick Wolf, und Debussy hat ihm seinen größten Hit zu verdanken. Die artifiziellen Geziertheiten der Europäer findet man bei den Appalachen-Bewohnern Megafaun jedoch nicht. Hier ist der Wald dunkel, die Wiesen weit und voller wuchernder Blumen und Kräuter. Das Blockhaus (so wollen wir uns das jetzt einfach mal vorstellen) riecht nach dem Rauch des offenen Kamins, vor dem die Musiker nach ihren ausufernden Jam-Sessions gerne mit einer Selbstgedrehten entspannen.
Wie schon der zu Recht hoch gelobte Vorgänger „Gather, Form & Fly“ ist auch das unbetitelte dritte Album ein Füllhorn voller Einflüsse, Stile und Gastmusiker. An einem Song hat auch der alte Bandkollege Justin Vernon mitgewirkt, der als Bon Iver heute deutlich erfolgreicher ist als mit der gemeinsamen Vorgänger-Band DeYarmond Edison. Das Album entstand auch in Vernons Studio in Fall Creek, Wisconsin.
Schon aus dem Opener „Real Slow“ leuchtet der Geist San Franciscos in den Sechzigern – vor allem die müde Abgeklärtheit von The Grateful Dead: „Take your time, everyone knows, if it starts too fast, it’s gonna end real slow“, heißt es im mehrstimmigen Refrain, der so lässig klingt, als hätten Joe Westerlund und die Brüder Phillip und Bradley Cook beim Einspielen ganz breit gelächelt. Das folgende „These Words“ wirkt durch den Einsatz von collagiertem Klangmaterial, unter anderem Gamelan-Sounds, besonders psychedelisch und experimentell. „Get Right“ mit Justin Vernon dagegen ist ein ausuferndes Stück Rock mit dezenten Americana-Anklängen.
Sehr gelungen sind auch die drei „Orchester-Tracks“, die von Bläsern und einer Violinistin unterstützt werden: „Isadora“ beginnt als freie Jazz-Improvisation und spielt dann geradezu zärtlich mit einer Folk-Melodie. „Second Friend“ hat am Anfang den rustikalen Appeal eines Wald-und-Wiesen-Songs, wird aber ganz schnell zu komplexem, an die Beatles erinnerndem Kunst-Pop. Man sollte sich aber nicht zu sehr auf das alte Spiel einlassen und versuchen, die vielen Quellen und Einflüsse herauszuhören – ja, auch Neil Young hat sich hier ein paar Mal versteckt. Die Songs von Megafaun funktionieren auch so ganz großartig. Manchmal braucht es eine Weile, bis man den Weg durch die verschlungenen Melodien und die komplexen Arrangements gefunden hat. Aber es lohnt sich immer. Ein Herz für die großen amerikanischen Musikstile sollte man dabei allerdings haben. (Crammed Discs) Jürgen Ziemer
Beste Songs: „Real Slow“, „Second Friend“