Melissa Etheridge – Skin
Melissa Etheridge hat das 21. Jahrhundert entdeckt. Statt illustre Musiker aufzuzählen, die an ihrem sechsten Album „Skin“ mitgearbeitet haben, lacht sie nur und gesteht: „Ich habe zum ersten Mal ,Pro Tools‘ benutzt und ein Album ohne Band auf
genommen. Tbntechniker David Cole habe dann das Know-how ins Studio gebracht, damit es trotzdem live klingt. „Schließlich arbeitete er schon für alle nur denkbaren Künstler, von Bob Seger bis ‚N Sync.“ Das dürfte für fundamentalistische Gralshüter ungefähr denselben Nachrichtenwert haben wie eine Schlagzeile, die Laura Bushs Verlobung mit Frau Etheridge verkündet, für George W.
Besonders unangenehm fällt dieser postmoderne Paradigmenwechsel nicht auf – na, ein paar unangebrachte ätherische Keyboard- und Flötentöne oder gelegentlich ein Plastik-Snare-Sound, mit dem sich schon Elton John vor 20 Jahren Songs versaut hat. Abgesehen davon, haben Kenny Aronoff und Mark Browne die meisten Rhythmus-Spuren von Hand eingespielt – also kein Grund für Protestmärsche vor der „Hall of Fame“ (mit Ausnahme der völlig verhallten „I Want To Be In Love“ und „The Difference“ – da kann man schon mal ein Plakat malen).
Die gewohnt solide Gitarrenarbeit Etheridges hascht jedenfalls ganz gekonnt nach den ungewohnten Effekten, so dass „Skin“ phasenweise heftiger rockt ab seine Vorgänger. Trotzdem ist auch dieses Werk wieder von schwer erträglicher Klagsamkeit infiziert. Dabei soll es schon wieder ein „Konzeptalbum“ – vom tiefsten Herzschmerz („Lover Please“) über neue Flamme am Horizont bis zur Heilung („Heal Me“) – darstellen. Der seit „Like The Way I Do“ sattsam bekannte Unterwürfigkeits-Gestus dominiert allerdings: „Answer my prayer, and answer the phone, think twice about it, baby, turn around and come on home.“ Peinlich wie Samenraub.