Mickey Jupp -Juppanese
Es gehört schon einige Chuzpe dazu, in einem typischen Jerry-Lee-Lewis-Rocker einzugestehen: „I’m an old rock’n’roller and I’m too old to roll.“ Aber Mickey Jupp – Jahrgang 1944, bekennender Chuck-Berry-Fan, seit Jahren nach dem Ende von Legend schon ohne Plattenvertrag und plötzlich mit Jungspunds wie diesem Elvis Costello auf derselben Package-Tournee des Stiff-Labels unterwegs – kam sich in dieser Gesellschaft nach eigenem Bekenntnis tatsächlich wie ein Dinosaurier aus einer lang versunkenen Rock-Ära vor, als er dieses Lied schrieb. Mit diesen jungen Genies der Neusten Welle konkurrieren zu wollen, fand er irgendwo lächerlich. Procol Harum-Texter Keith Reid nahm ihn 1977 unter seine Manager-Fittiche, organisierte eine Single bei Arista und einen Plattenvertrag beim angesagtesten Indie-Label der Stunde. Songs hatte Mickey eh genügend während der letzten Jahre geschrieben. Bei Stiff fand man, dass Nick Lowe für das rock’n’rollende Material der idealere Produzent sei, hatte dann aber doch keine Einwände gegen Gary Brooker als Oberaufsicht bei den balladesken und getragenen Songs der B-Seite dieser LP. Lowe brachte die Rockpile-Mannschaft mit – Dave Edmunds, Billy Bremner. Terry Williams -, während der Procol Harum-Chef Chris Spedding und Dave Mattacks anheuerte.
Neutöner-Ambitionen entwickelte er keine, im Gegenteil: Er ging sein Comeback-Projekt ganz abgeklärt an. Sein „Memento mori“-Song war „Short List“ – mit Versen wie „Nobody gets out of here alive“ so ziemlich dasselbe meinend wie einiges früher mal Hank Williams mit „I’ll never get out of this world alive“. Kollege Roger Chapman hatte den Song für so toll befunden, dass er seine Band nach demselben benannte.
Im übrigen verhehlte er nicht seine Bewunderung für Fats Domino, die Burnette-Brüder und den ganzen New Orleans-R&B. Wenn einer ihn in diesem Neoklassizismus bei Songs wie „Making Friends“, „Down ln Old New Orleans“ und der Hymne „If Only Mother“ vollkommen verstand und nach besten Kräften unterstützte,dann natürlich Dave Edmunds. Stilvoller – ein großes Stück Rock’n’Roll – hat selten jemals irgendwer seine panische Angst vor dem Fliegen so artikuliert wie Mickey Jupp mit „You’ll Never Get Me Up In One Of Those“. Völlig aus dem Rahmen fiel bei der A-Seite der LP „School“, eine todtraurige Folk-Rock-Etüde von einer Empfindungstiefe, wie man sie von diesem die Dinge des Lebens schon öfter distanziert bis zynisch sehenden Songschreiber eher nicht erwartete.
In immer neue Rollen schlüpfte er bei den von Brooker für die B-Seite produzierten Songs. Bei „Pilot“ gab er seinen besten Elton John mit einer kuriosen Mörderballade. Vom Billy The Kid-Mythos und der „Man From U.N.C.L.E“-Serie ließ er sich zu „The Ballad Of Billy Bonney“ und „S.P.Y.“ inspirieren. Zu „Partir c’est mourir un peu…“ von dem heulenden Elend, das ihn erfasste, als es eine kleine Französin, in die er sich (un)sterblich verliebt hatte, dann doch wieder nach Hause zog. (Das Ende einer Liebe hatte ihn auch schon zu „Pilot“ inspiriert.) Songs mit beträchtlichen Ohrwurmqualitäten schüttelte er damals fast aus dem Ärmel, wie die damals nur auf Singles oder Stiff-Samplern veröffentlichten Aufnahmen beweisen, von denen hier fünf als Bonus-Tracks auftauchen. Aber alle Protektion der Kollegen Edmunds und Lowe nutzte nicht viel. Nach „Juppanese“, jetzt ordentlich remastered neu aufgelegt, fand er zwar auch über die nächsten Jahre hinweg immer wieder Plattenfirmen, die seine Aufnahmen finanzierten. Aber viel mehr als Kult-Status, den er seit der „Red Boot“-LP und eben „Juppanese“ unter Kennern genosss, sollte ihm die nie einbringen.