Miles Davis

Ascenseur pour l’échafaud

Davis’ wunderbarer Soundtrack zu Louis Malles Nouvelle-Vague-Film

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Ende 1957, während eines Engagements im Club Saint-Germain in Paris, wurde Miles Davis durch Vermittlung des Regisseurs Jean-­Paul Rappeneau beauftragt, den Soundtrack zu Louis Malles neuem Film „Ascenseur pour l’échafaud“ (deutsch „Fahrstuhl zum Schafott“) zu komponieren. Davis suchte seinerzeit nach dem Hard-Bop-Meilenstein „’Round About Midnight“ mit seinem Quintett und dem coolen Spiel mit dem von Gil Evans arrangierten großen Ensemble „­Miles Ahead“ nach einer neuen, freien Form des Zusammenspiels in kleiner Gruppe und nahm die Auftragsarbeit als Gelegenheit für ein Experiment.

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Er ließ sich eine Rohfassung des Films zeigen, machte sich ein paar Notizen und ging am nächsten Tag ohne jede weitere Vorbereitung mit seiner europäischen Band aus dem Saxofonisten Barney Wilen, dem Pianisten ­René Urtreger, ­Pierre Miche­lot am Bass und Kenny ­Clarke am Schlagzeug ins Studio. Die Stimmung der Szenen, die Louis ­Malle wie einen Loop mehrmals hintereinander­geschnitten hatte, um sie im Studio auf eine Leinwand zu projizieren, sollte möglichst spontan eingefangen werden. Die Musiker mussten sich nicht an Songstrukturen halten, es gab keinen Platz für ausgedehnte Soli, man improvisierte gemeinsam über die von Davis am Abend zuvor ausgearbeiteten Progressionen, ­ohne auf musikalische Konventionen zu achten.

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Dieser Ansatz passte nicht nur perfekt zu den ungekünstelten Schwarz-Weiß-­Bildern von Malles lakonischem Film noir, er war auch der Beginn von Davis’ Erkundungen der ungewöhnlichen Harmonien des modalen Jazz, die er wenige Monate später auf „Mile­­stones“ zu einem weiteren Höhepunkt führen sollte.

Die remasterte Neuedition des Soundtracks erscheint wie das Original von 1958 auf Vinyl im 10inch-Format (es gibt auch eine Doppel-CD-Version). Auf den zwei Bonus-LPs/der Bonus-CD, die mit „L’interrogatoire de Julien“ einen Track bieten, der auf der „Com­plete Recordings“-Edition fehlte, lässt sich die zwei Tage dauernde Expedition wunderbar nachempfinden. (­Universal)