Morrissey

Ringleader Of The Tormentors

Sanctuary (Universal)

In Rom denkt der Dichter an nie Liebe und den Tod (und wird mild)

Ein paar Dinge, die bleiben, wenn man die Welt mit Spott und Rachsucht zugemauert hat. Durch Rom gehen. An den Tod denken und an den Nachruhm. Gott anrufen. Bemerken, daß man geboren wurde. Morrissey tut all diese Dinge, er ist zur Ruhe gekommen. „I am walking through Rome/ With my heart on a string/Dear God, please help me/ And I’m so very tired of doing the right thing.“ Aber plötzlich entdeckt er etwas Merkwürdiges: „There are explosive kegs between my legs.“

Erzähl‘ uns etwas Neues, Morrissey! Im ersten Song der Platte (dort im ersten Vers!), „I Will See You In Far-Off Places“, überrascht uns die Einsicht „Nobody knows what human life is/ Why we come, why we go“ leider durchaus nicht. Der Sänger schlägt sich durch ein Dickicht aus überfrachteten Gitarren, lautem Schlagzeug und falschem Sitar-Gequengel: „If your god bestows protection upon you/ And if the U.S.A. doesn’t bomb you/ I believe I will see you/ Somewhere – safe.“ Morrisseys Kommentar zum Karikaturen-Streit! So wird sein überraschender- man mag es kaum schreiben – Optimismus immer wieder verdunkelt von der Ahnung, daß alle Menschen sterben müssen. Aber in der schönsten Volte der Platte, am Ende von „On The Streets I Ran“, will Morrissey einen schmutzigen Handel mit Gott schließen: „And when the palmist said: ,One Thursday you will be dead.’I said: ‚No, not me – this cannot be/ Dear God, take him, take them, take anyone/ The still-born, the new-born, the infirm – take anyone/ Take people from Pittsburgh, Pennsylvania – just spare me.'“

Natürlich wird wieder jemand schreiben – er schreibt es wahrscheinlich gerade -, dies sei Morrisseys bestes Album, auch habe er niemals besser gesungen. Das wurde natürlich auch von „You Are The Quarry“ behauptet, und wer wollte es überhaupt überprüfen? „Ringleader“ krankt – die alte Malaise – an der allzu robusten Musiker-Truppe, die um Morrissey versammelt ist, ebenso wie an der patentierten, schwer durchdringlichen Kompakt-Produktion von Tony Visconti. Die Rockismen ruinieren beinahe „In The Future When All’s Well“ und „The Father Who Must Be Killed“, die kregle Single „You Have Killed Me“ geht gerade so durch, das dräuend marschierende, mit knisterndem Regen, Donnergrollen und mächtig Schwulst ausgeschmückte „Life Is A Pigsty“ ist vor allem eines: sieben Minuten und 11 Sekunden lang, ohne daß der Künstler mehr als den wohlfeilen Weltekel entäußert. Beim hübschen „The Youngest Was The Most Loved“ hat der gewitzte Visconti einen veritablen Kinderchor addiert, der bei „The Father Who Must Be Killed“ und schließlich bei „At Last I Am Born“ nochmals eingesetzt wird. Klavier hie, eine Trompete da gehören zum Arsenal der Effekte. Ich bin trotzdem für Steve Lillywhite und seine unbesungene Arbeit an „Maladjusted“. Und den Witz von „Roy’s Keen“ ziehe ich der obsessiven Erwähnung des grimmen Schnitters vor.

Morrisseys frisch gefundener Sensualismus kommt zum Ausdruck in der bereits inflationär zitierten Zeile „Now I’m spreading your legs with mine in between“, auch in dem herrlichen, heiteren Vaudeville-Stück „At Last I Am Born“. Doch es hilft alles nichts: „The future is ended by a long, long sleep.“

Statt der besten Morrissey-Platte aller Zeiten haben wir also den ältesten Morrissey aller Zeiten mit allen liebgewonnenen Topoi und Manierismen. Aber wer wüßte das besser als der Troubadour selbst, der im köstlichen „I’ll Never Be Anybody’s Hero Now“ die amüsanteste Zeile des Albums singt: „I am a ghost/And as far as I know/ I haven’t even died.“ Chapeau, Alter.